Schutz gegen Straßen- und Bahnlärm in Erkner – eine Zwischenbilanz
von
Dr. Lothar Kober
Fraktion DIE LINKE in der SVV Erkner
Mitglied in den Ausschüssen
Stadtentwicklung, Bauplanung, Natur- und Umweltschutz, Verkehr
sowie Finanzen, Haushaltsplanung, Wirtschaftsförderung, Tourismus
Vorbemerkungen
Was sich bewegt oder verändert, erzeugt Geräusche (Schall). Menschen störende Geräusche bezeichnet man umgangssprachlich als Lärm. Gemessen wird er als Schalldruckpegel in Dezibel, Abkürzung dB oder synonym dB(A). Dauerschallpegel sind über eine Messzeit (Tag, Nacht) gemittelte Schalldruckpegel. Um diese Werte geht es überwiegend in der Zwischenbilanz.
Lärmschutz bleibt eines der wichtigsten Themen für mehr Lebensqualität in Erkner. Jeder noch so kleine Erfolg zählt. Vor fünf Jahren beschlossen die Stadtverordneten den Lärmaktionsplan der 1. Stufe, Teil Straße, erarbeitet vom Planungsbüro Dr. Hunger. Der Plan kann auf der Internetseite der Stadt eingesehen werden. Von Anfang an war klar: Für umfassende Lösungen der Lärmprobleme bedarf es des Miteinanders und Zusammenhalts der Stadtgesellschaft, der Hartnäckigkeit der Stadtspitze gegenüber Landes- und Bundesbehörden in ihren Forderungen und eines langen Atems. Denn das Geld für Lärmschutz sitzt wahrlich nicht locker.
1. Lärmschutz: Was in der Stadt erreicht, was beschlossen wurde
Der Landesstraßenbetrieb ließ die Berliner Straße und die Neu Zittauer Straße ausbauen, die Stadt den Hohenbinder Weg und die Seestraße. Asphaltbelag anstelle von Pflaster führt spürbar zu einer Verringerung der Lärmemissionen für die Anwohner. Die Anordnung von Tempo-30 von 6 bis 17 Uhr Montags bis Freitags auf der Neu Zittauer Straße senkte den Lärmpegel ebenso spürbar wie die Anordnung von Tempo-30 ganztags auf der Friedrichstraße. Diese Erfolge sind unbestreitbar. Es bleiben Teilerfolge. Tempo-30 muss auf der Neu Zittauer Straße ganztags und an Wochenenden und auf der Friedrichstraße zeitlich unbefristet gelten.
Die Stadtverordnetenversammlung (SVV) fasste im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan City Center Erkner am 30. 7. 2013 drei Beschlüsse zum Lärmschutz. Sie basieren auf Forderungen des Landesamtes für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (LUGV).
„Sowohl auf der Seestraße als auch auf der Friedrichstraße ist unter Verwendung der schalltechnischen Untersuchung von ISU Plan 06/2013 eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h bei den zuständigen Verkehrsbehörden zu beantragen. Bei zukünftigen Baumaßnahmen auf der Seestraße wird die Stadt als Straßenbaulastträger den Einbau lärmmindernder Fahrbahnoberflächen zur Reduzierung der Lärmemissionen um bis zu 5 dB(A) realisieren. Bei zukünftigen Baumaßnahmen auf der Friedrichstraße wird die Stadt den Landesbetrieb Straßenwesen als zuständigen Baulastträger auf Grund der bereits hohen Vorbelastung ohne das City Center Erkner auffordern, eine lärmmindernde Fahrbahnoberfläche zur Reduzierung der Lärmemissionen um bis zu 5 dB(A) einzubauen.“
Nur: Die Seestraße wurde 2012 im Abschnitt zwischen Friedrichstraße und Brücke über den Bretterschen Graben neu gebaut. „Zukünftige Baumaßnahmen“ sind in etwa 25 Jahren zu erwarten. Es handelt sich demzufolge um eine Scheinlösung für die jetzigen Anwohner der Seestraße. Das in die Präzisierung der Planbegründung und des Umweltberichts Aufgenommene, die Stadt Erkner verpflichte sich Lärm mindernde Fahrbahnbeläge einbauen zu lassen, hilft auch nicht weiter. Derzeit wird mit diesen Belägen, als Flüsterasphalt bekannt, experimentiert. Es bleibt abzuwarten, wann sie für den innerstädtischen Straßenbau zugelassen werden.
2. Folgen der ausstehenden Fortschreibung des Lärmaktionsplans
Gemäß § 47 d Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) hatte die Stadt Erkner auf der Grundlage der 2012 erstellten Strategischen Lärmkarten bis zum 18. 7. 2013 den Lärmaktionsplan „Straße und Schiene“ fortzuschreiben (2. Stufe).
Im Juni 2011 richtete der Ortsgruppen-Vorsitzende des Bürgervereins Brandenburg-Berlin und Stadtverordnet, Herr Dr. Hübert ein Thesenpapier mit 13 Forderungen für mehr Lärmschutz in Erkner an die Stadtverwaltung und an die Stadtverordneten. Die Kernforderung: mehr Engagement. Die anschließende Diskussion in der SVV zeigte das Desinteresse der Verwaltung und einer Mehrzahl der Stadtverordneten. Ein im Frühjahr 2012 gestellter Antrag der Linksfraktion an die SVV, die Erarbeitung unverzüglich zu beginnen, fand bei Bürgermeister und bei der Mehrheit der Stadtverordneten der SPD und CDU ebenfalls kein Gehör. Die Stadtspitze berief sich darauf, dass die SVV erst im Februar 2009 (und nicht wie im Gesetz geregelt bis zum 18. 7. 2008) den Lärmaktionsplan 1. Stufe beschlossen habe und somit für Erkner der 18. 7. 2013 nicht gelte. Folgt man dieser (falschen Auslegung), so hätte die Fortschreibung immerhin im Februar 2014 in der SVV beschlossen werden müssen. Die Folgen des Verzugs:
- Der interessierten Bürgerschaft wurde die Möglichkeit vorenthalten, sich aktiv und transparent (nicht hinter verschlossenen Türen im Rathaus oder vor überforderten Stadtverordneten) zu ihren Ansichten und Vorstellungen für Schutzmaßnahmen zu äußern und diese in die 2. Stufe der Lärmaktionsplanung einzubringen.
- Die Stadtspitze beraubte sich der Möglichkeit, die Träger öffentlicher Belange, hier das Infrastrukturministerium Brandenburg, den Landesstraßenbetrieb, das Eisenbahnbundesamt (EBA), die DBAG, das Landratsamt usw. mit ihren Maßnahmevorschlägen gegen Bahn- und Straßenlärm zu konfrontieren. Die Träger öffentlicher Belange sind in diesem Beteiligungsverfahren verpflichtet, schriftlich „Farbe zu bekennen“. Die Stellungnahmen lassen sich nicht, wie in Verwaltungsverfahren zwischen Stadt und Behörden üblich, als „Dienstgeheimnisse“ wegschließen. Sie sind der Öffentlichkeit durchweg mitzuteilen. Das erhöht die Qualität der Rückäußerungen. Dabei gilt: Je stichhaltiger die Maßnahmevorschläge, desto größer die Aussichten auf Erfolg.
- Die an das LUGV übermittelten falschen bzw. manipulierten Verkehrsmengen auf den Straßen in Erkner hätten rechtzeitig vor der Berechnung der Strategischen Lärmkarten korrigiert werden können. Diese Korrektur steht aus.
- Derzeit kann die Stadt Maßnahmen vorschlagen. EBA und DBAG müssen sich dazu äußern. Ab 2015 wird das EBA für die Aufstellung eines bundesweiten Lärmaktionsplans für die Haupteisenbahnstrecken mit Maßnahmen in Bundeshoheit zuständig. Das EBA wird sich bei der zeitlichen Abfolge der Lärmaktionsplanung für die einzelnen Strecken an die Prioritäten halten, die dem Lärmsanierungsprogramm des Bundes zugrunde liegen. Da steht Erkner ganz, ganz hinten.
3. Das Dilemma mit der Berichtspflicht an die Europäische Kommission
Gemäß Artikel 10 der EU-Richtlinie vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm (zu finden im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 189/12) hat Erkner umfangreiche Informationen aus den Strategischen Lärmkarten und dem Lärmaktionsplan an die Europäische Kommission zu übermitteln. Die Stadtspitze kam ihrer Berichtspflicht am 6. 9. 2013 lückenhaft nach, weil es bis dato keinen Lärmaktionsplan 2. Stufe gab. Der Bericht zeichnet in mehrfacher Hinsicht ein falsches Bild:
- Der Ausbau der Hafenstraße zwischen Hessenwinkler Straße und Straße Am Dämeritzsee soll für die Entlastung der Anwohner im Vergleich aller verlärmten Straßen in Erkner die größten Fortschritte mit sich bringen. Ganztags entlastet würden 35 Personen, die Lärm über 70 dB(A), 35 Personen, die Lärm zwischen 65 und 70 dB(A) und 40 Personen, die Lärm bis 65 dB(A) ausgesetzt sind. In diesem Straßenabschnitt wohnen derzeit vier Menschen.
- Nach den Strategischen Lärmkarten 2012 für Erkner geurteilt, ging der Verkehrslärm in der Fürstenwalder Straße und Fangschleusenstraße (L 30) gegenüber den Vorjahren zurück. Straßen mit einer Verkehrsbelegung von mehr als 8 000 Kfz pro Tag sind in den Karten gelb gekennzeichnet; nicht diese beiden. Das Planungsbüro Dr. Hunger hatte 2006 für die Fürstenwalder Straße zwischen ovalem Kreisel und Ernst-Thälmann-Straße noch eine Verkehrsbelegung von 14 500 Kfz pro Tag, weiter bis zur Rudolf-Breitscheid-Straße von 15 950 und für die Fangschleusenstraße von 16 100 Kfz pro Tag ermittelt (Integrierter Verkehrsentwicklungs- und Lärmminderungsplan, Anlage 3.2).
Das Landesumweltamt weist in seinem Schallimmissionsplan Straßenverkehr für Erkner vom 25. 5. 2004 für den Bereich der Gaststätte Löcknitzidyll (stadteinwärts rechts) tagsüber Lärmpegel von 65–70 dB(A) im vorderen und von 60–65 dB(A) im hinteren Bereich aus. Gemäß Strategischer Lärmkarte 2012 sind es 5 dB(A) weniger. Tausende Autofahrten täglich wurden offensichtlich von diesem Straßenabschnitt auf die Hohenbinder Straße „verlegt“. - Ein Lärmschwerpunkt Tag und Nacht wäre seit 2012 die Hohenbinder Straße in Karutzhöhe. Die Antwort der Stadtverwaltung auf eine Anfrage, woher diese hohe Lärmbelastung der Anwohner resultiere, bringt die Erklärung: „Die errechneten Immissionswerte des LUGV sind in Karutzhöhe relativ hoch. Grundlage der Berechnung sind u. a. prognostizierte Verkehrsbelegungen und Informationen über Geschwindigkeiten und Geometrien, die dem LUGV vorlagen… (Anlage 3 zum Protokoll der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung am 04.06.2013)“. Die zusätzliche Verkehrsbelegung, resultierend aus den vom Bürgermeister verfolgten Zielen, Öffnung der Hohenbinder Straße bis Freienbrink, Neubaugebiet im Wald hinter Karutzhöhe, wurden eingerechnet. Die Stadtverwaltung hatte dem LUGV nicht prognostizierte, sondern Ist-Daten mitzuteilen.
- Der Verkehr auf der Autobahn A 10 müsste in den letzten Jahren ebenfalls spürbar abgenommen haben. Zu diesem Schluss kommt man bei Vergleich der Strategischen Lärmkarten aus 2007 und 2012. Das LUGV gibt 2007 für den ganzen Ortsteil Hohenbinde nachts Belästigungen von 45-50 dB(A) an. 2012 ist der Ortsteil nur zur Hälfte betroffen. Tagsüber war 2007 halb Hohenbinde mit Lärm zwischen 55 und 60 dB(A) belastet, 2012 nicht mehr. Die Daten der automatischen Zählstelle Erkner an der A 10 belegen keinen Rückgang der Verkehrsmengen. Der durchschnittliche tägliche Verkehr (DTV) stieg nach Angaben der Bundesanstalt für Straßenwesen von 2006 42 910 Kfz, auf 2011 45 378 Kfz. Diese Daten müssten der Berechnung der Strategischen Lärmkarten zugrunde gelegen haben. Für 2025 wird ein DTV von 63 000 Kfz vorausgesagt.
Der tatsächliche Wert der Berechnung des AutobahnlärmsDie Berechung der Schallimmissionen bei Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung wird generell auf Grundlage der in Deutschland geltenden Richtgeschwindigkeit von 130 km/h durchgeführt. Die real gefahrene Geschwindigkeit auf so genannten „freigegebenen“ Autobahnabschnitten liegt deutlich höher. Im Schnitt fahren über 60 Prozent der Verkehrsteilnehmer schneller als 130 km/h, davon mehr als 30 Prozent im Schnitt schneller als 150 km/h. Der Schwerverkehr überschreitet nahezu durchgehend die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Die V85 (die von 85 Prozent der unbehindert fahrenden LKW auf nasser Fahrbahn nicht überschrittene Geschwindigkeit) liegt bei 90 km/h. In Summe ergeben sich daraus real deutlich höhere Lärmbelastungen als sie im Rahmen der Berechnungen zur Lärmaktionsplanung sowie zur Abwägung und Dimensionierung von Schallschutzanlagen ausgewiesen sind (siehe Lärmaktionsplan für die Stadt Erkner, S. 31).
Zeitweilig noch höhere Lärmbelastungen ergeben sich aus der Tatsache, dass die Berechnungen nicht getrennt für Hauptwindrichtungen angestellt werden. Bei Wind aus östlichen Richtungen (ca. 120 Tage im Jahr) erhöht sich die Lärmbelastung erheblich, wie das in Hohenbinde oder Karutzhöhe Wohnende ohne weiteres „erhören“ können.
Die Bedeutung der Lärmkarten für die Bauleitplanung in Erkner?
Die Bauleitplanung hat eine erhebliche Bedeutung für den vorsorgenden Immissionsschutz (Baugesetzbuch § 1 Abs. 6 Nr. 7 g). Lärmkartierungen enthalten eine qualifizierte flächige Bestandsaufnahme der Lärmsituation und ihrer Ursachen. Diese Erkenntnisse darf die Gemeinde in der Bauleitplanung nicht ignorieren. Verwaltungsintern schaffen Lärmkarten die Voraussetzung für ein geräuschquellenbezogenes Handeln und ermöglichen, dass die betroffenen Bürger die Chancen zur Wahrung ihrer Interessen realistisch einschätzen können. Die Entwürfe der Bebauungspläne für Gebiete rechts und links der Fangschleusenstraße – Stadttor Nord/Löcknitzidyll und Stadttor Süd/Löcknitzterrassen – erwähnen die Lärmkarten bzw. Lärmbelastungen mit keinem Wort. Laut Umweltbericht zum Bebauungsplan „Gottesbrücker Weg“ Erkner-Hohenbinde gibt es keine nennenswerten Lärmbeeinträchtigungen bzw. -belastungen, denen die künftig dort Wohnenden durch die A 10 ausgesetzt sein werden.
Wer ist der mehrfach genannte Dr. Hunger?
Herr Dr. Hunger ist ein in Fachkreisen deutschlandweit anerkannter Straßenplaner. Er hatte den Ausbau der Ahornallee und eines Teilstücks der Ernst-Thälmann-Straße wirtschaftlich und sparsam geplant. Ihm wurde die Planung des Hohenbinder Weges entzogen, nachdem er sich anerkannten Regeln des Straßenbaus widersprechenden Forderungen widersetzte. Seine Top-Lärmaktionspläne für Frankfurt (Oder) und Ludwigsfelde stehen im Netz. Dr. Hunger arbeitet als Sachverständiger für die Kläger gegen den Bebauungsplan City Center Erkner vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG). Man trifft sich eben immer zwei Mal im Leben …
4. Bahnlärm: Die Sache mit dem Gutachten der Stadt
2012 hatten Bürgerinitiativen gegen Bahnlärm bei der Stadtspitze erreicht, dass diese wenigstens ein Gutachten über Schienenlärm in Auftrag gibt. Damit sollte die im Planfeststellungsbeschluss vom 18. 9. 2007 für die Ausbaustrecke Berlin-Frankfurt (Oder) …, Projektabschnitt 1, km 23,271 bis km 25,00 aufgeführte Anlage „Übersicht der untersuchten Immissionsorte mit/ohne Anspruchsberechtigung auf passive Lärmschutz …“ auf Stichhaltigkeit überprüft werden. Lärmmessungen entlang der Bahnlinie von der Bahnhofssiedlung bis zur Fürstenwalder Straße sollten die tatsächlichen Belastungen der Anwohner feststellen als Grundlage für Forderungen nach mehr Lärmschutz.
Mit Datum vom 4. 9. 2013 informiert die Stadt auf ihrer Internetseite, dass das Bahnlärmgutachten mit Auswertung der Messungen vom August 2012 nunmehr vorliege, allerdings nochmals zu überarbeiten sei. Das „überarbeitete“ Gutachten fehlt bis heute. Einer Überarbeitung des Bahnlärmgutachtens für den Abschnitt Stadtgrenze Berlin – Bahnhof Erkner hätte es nicht bedurft. Denn zeitgleich gibt die Stadt im Bericht an die EU die offiziellen Ergebnisse der Lärmkartierung des EBA für diesen Streckenabschnitt wieder. Sie schmorten in der Schublade.
5. Bahnlärm: Lärmaktionsplanung anstelle Lärmaktionismus gefragt
Im Februar lud der Bürgermeister die Vertreterinnen und Vertreter von Bürgerinitiativen sowie betroffene Anwohner ins Rathaus zum Thema: Bahnlärm ein. Dank der Märkischen Oderzeitung vom 8. März wissen wir mehr: Die Stadt wolle dem Lärmschutzbeauftragten der Bahn eine Temporeduzierung von 120 auf 80 km/h im Stadtbereich vorschlagen. Die Temporeduzierung würde wenig kosten, aber den Lärmpegel deutlich um vier dB(A) absenken. Gegebenenfalls solle eine Anwaltskanzlei zur Rechtsvertretung eingeschaltet werden.
Die DBAG ist die falsche Adresse für die Forderung. Den Ausbau der Strecke Berlin-Frankfurt(Oder)/Grenze PL beschloss der Deutsche Bundestag im Rahmen des Bundesschienenausbaugesetzes (Projekt 14). Proteste der Stadt gegen den Beschluss sind unbekannt. Im Gegenteil, „wichtige“ Menschen aus Erkner sonnten sich bei der Streckenübergabe. Von Wilhelmshagen bis zur Grenze ist der Ausbau für Tempo 160 und Achslasten von 25 t abgeschlossen. Nach jüngsten Angaben kostet die 85 km lange Bahnstrecke 611 Mio. Euro; 7,2 Mio. Euro je Kilometer. Eine Verringerung der zulässigen Geschwindigkeit im Stadtgebiet Erkner um die Hälfte würde den Ausbau total entwerten. Von wegen wenig kosten. Getreu dem Motto, wer die Musik bestellt, der zahlt, hätte Erkner Unsummen zu berappen. Nicht wenige Wohnungseigentümer an der Ernst-Thälmann-Straße, darunter die Wohnungsgesellschaft Erkner, müssten Entschädigungszahlungen wieder hergeben. Verwiesen sei an dieser Stelle auch darauf, dass der Streckenausbau aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) finanziert wurde. Diese Mittel würden zurückgefordert. Keine Freude für den brandenburgischen Verkehrsminister, der zu zahlen hätte.
4 dB (A) weniger Lärm soll die Temporeduzierung von 120 auf 80 km/h bringen. Gehen wir der Frage nach, mit welcher Geschwindigkeit durch Erkner gefahren wird. Die S-Bahn fährt im Bereich Stadtgrenze Berlin – S-Bahnhof Erkner an keiner Stelle 80 km/h, verursacht aber erheblichen Lärm. Die Regionalexpresszüge (RE) halten ausnahmslos am Bahnhof Erkner. Zwischen Bahnhof und Stadtgrenze Berlin wird langsamer als Tempo 80 gefahren. Vom Bahnhof aus in Richtung Fürstenwalde dürfte die Stelle, an der diese Geschwindigkeit erreicht wird, etwa 100 m hinter der Unterführung Fürstenwalder Straße liegen. Die RE fahren geräuscharm. Vier Eurocity-Zugpaare durchfahren Erkner tagsüber mit Geschwindigkeiten bis zu 160 km/h. Auch kein Problem. Störenden Lärm verursachen Güterzüge, insbesondere nachts. Da ist es fast egal, ob sie mit Tempo 60, 80 fahren oder mit 100 km/h und mehr durch das Stadtgebiet donnern, denn den Lärm verursachen abgenutzte Bremsen (Bremssohlen aus Grauguss, welche die Laufflächen der Räder aufrauen und dadurch ein größeres Rollgeräusch verursachen) allemal.
Der Schlüssel für mehr Lärmschutz liegt in der 2. Stufe der Lärmaktionsplanung, die der Bürgermeister mit einem Jahr Verzug nunmehr für 2014 angekündigt hat. Nochmals sei betont: Die Zeit drängt, denn die Stadt kann nur bis Jahresende in Sachen Bahnlärm die Bundesbehörden und DBAG mit Forderungen konfrontieren.
In Betracht kommende Minderungsmaßnahmen gegen Bahnlärm
Brückenentdröhnung (eingebaut), Entdröhnung der Bahnübergänge Beuststraße und Oberförstereiweg (wäre zu prüfen) Schienenstegdämpfer (eingebaut), Schienenschmiereinrichtung in der Kurve Richtung Berlin (wäre zu prüfen), niedrige Schallschutzwand direkt am Gleis (die wohl am ehesten mögliche und wirkungsvollste Maßnahme). Das die DBAG bis 2020 mit Hilfe des Bundes ihre Güterzugwagen (etwa 60.000) mit sogenannten Flüsterbremsen ausrüsten will, kann nicht hoch genug bewertet werden. K- bzw. LL-Sohlen, die Fachbezeichnung für die Bremsen, können das Geräusch vorbeifahrender Güterzüge gemäß Angaben der DBAG um bis zu 10 dB(A) verringern. Durch Deutschland fahren weitere rund 120.000 Güterwagen.
Die Lärmdaten für den Bahnabschnitt Stadtgrenze Berlin – Bahnhof Erkner?
Auf diesem Abschnitt verkehren mehr als 60 000 Zügen im Jahr. Gemäß BImSchG war Mitte 2007 die Lärmkartierung fällig. Die Lärmkarten sind inzwischen auf der Internetseite des EBA mit etwas Geschick zu finden. Nachts sind in der Bahnhofssiedlung 50 Personen sehr hohen Belastungen von mehr als 60 dB (A) und weitere 40 Personen hohen Belastungen von 55 bis 60 dB(A) ausgesetzt. Für 320 Personen wurde eine nächtliche Belästigung von 45 bis 55 dB (A) ermittelt. Zur Information: Schalldruckpegel außen von 30 dB gelten bei geöffnetem Fenster als problemlos für Schlafende.
Die Ergebnisse, die keinen Zweifel wie bei Lärmgutachten, erstellt von Privaten, aufkommen lassen, bieten eine gute Grundlage für Lärmschutz-Vorschläge der Stadt. Der Immissionsgrenzwert, der für Lärmsanierungen an Schienenwegen des Bundes herangezogen wird, auch als so genannte grundrechtliche Unzumutbarkeitsschwelle bezeichnet, beträgt 60 dB(A).
Aussagen zum Bahnabschnitt Bahnhof Erkner – Pillgram
Diesen Abschnitt durchfahren weniger Züge. Die Verkehrsmengenkarte des Statistischen Bundesamtes für das Jahr 2012 gibt zwischen 10 000 und 20 000 Güterzüge an. Eine genauere Vorstellung über die Verkehrsmenge bieten die für das Jahr 2005 erhobenen Daten. Danach waren es insgesamt 35 300 Züge, darunter 9 896 Güterzüge. Für die Ermittlung der Priorität der Lärmsanierung sind die beiden genannten Abschnitte zusammengefasst. So ließ sich (fragwürdig) ein hoher Bedarf an Lärmschutz im Streckenabschnitt Stadtgrenze Berlin – Bahnhof Erkner wegnivellieren.
Für diesen Streckenabschnitt sollte das EBA die Lärmkarten bis Mitte 2012 fertig stellen (2. Stufe). Nunmehr sollen sie nach Aussage des Bürgermeisters Ende 2014 vorliegen. Dann kann geprüft werden, ob sich Widersprüche in den Berechnungen der Priorisierungszahl finden, die für die Rang- und Reihenfolge der Sanierungsabschnitte im Bundesprogramm entscheidend waren. Einen Anhaltspunkt über den Bahnlärm bietet der Bebauungsplan „Mischgebiet TWR-Gelände/Akademie“. Die 60 dB(A)-Linie für den Außenlärmpegel verläuft zwischen Flakenfließ und Beuststraße in etwa 70 m Abstand zur Bahnstrecke. Dieser Abstand kann für den Bereich zwischen Beuststraße und Krönichen als zutreffend gelten.
Schallreflexionen kein Gegenstand der Lärmberechnung
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können Schallreflexionen von Schallschutzwänden in der Lärmprognose rechnerisch keine Berücksichtigung finden. Es fehlt für Schienenlärm an Rechtsvorschriften, die die Berücksichtigung der Schallreflexionen hoch absorbierend ausgebildeter Schallschutzwände zulassen. Die Anlage 2 der Richtlinie zur Berechnung der Schallimmissionen von Schienenwegen (Schall 03) stellt nur Schallreflexionen nicht absorbierender Objekte (Häuserwände usw.) in die Berechnung des Beurteilungspegels ein. Weiterführend: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. 12. 2012, Aktenzeichen 7 A 11.10.
Was wird aus dem Schienenbonus?
Der Schienenbonus bewirkte, das für Schienenverkehrsanlagen ein um 5 dB(A) höherer Lärmpegel erforderlich ist als bei anderen Verkehrsträgern, bevor Lärmschutzmaßnahmen ergriffen werden müssen. Ab 2015 ist der Schienenbonus nicht mehr anzuwenden. Für Erkner hat diese Veränderung (11. Gesetz zur Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes vom 2. 07. 2013) keine Bedeutung. Denn Voraussetzung ist, dass zu diesem Zeitpunkt für den jeweiligen Abschnitt eines Vorhabens das Verfahren der Panfeststellung noch nicht eröffnet und die Auslegung des Plans noch nicht öffentlich bekannt gemacht ist.
Nachbemerkung
Die Arbeiten am Lärmaktionsplan für die Stadt Erkner, 2. Stufe, müssen schnellstens in Gang kommen. Die Lärmschutz-Maßnahmen für Straße und Bahn sind neu zu justieren. Mit allen Mitteln, auch gerichtlich, sollte das Ziel, Tempo 30 auf den Hauptverkehrsstraßen nachts, verfolgt werden.
Die Öffentlichkeit soll rechtzeitig und wirksam die Möglichkeit erhalten, an der Überprüfung der Ergebnisse der 1. Stufe der Lärmaktionsplanung und an der Fortschreibung des Plans mitzuwirken. Die Möglichkeiten der Einflussnahme (nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz) sind umfangreicher als in Verfahren der Bauleitplanung (Bebauungsplan, Flächennutzungsplan).
Die Stadtspitze ist aufgefordert, ausnahmslos und unverzüglich über alle vorliegenden Informationen zu unterrichten. Geheimniskrämerei lähmt. Das war bereits Friedrich dem Großen bewusst. Am 26. 10. 1777 richtete er an die Preußische Akademie der Wissenschaften eine Kabinettsorder. Als Preisfrage, die die Akademie von Jahr zu Jahr ausschreibt, verlangte er diesmal zu stellen: „Nützt es dem Volke, betrogen zu werden“. Die „Volksbetrugs-Preisfrage“ .wurde der größte Erfolg der Akademie. Namhafte Historiker sehen darin den Beginn einer neuen Phase der Volksaufklärung nicht nur in Preußen.