01.03.2016
Torsten Lohs
Erschienen in: Widerspruch (Fürstenwalde, Brandenburg)

Zu Gast in der „Wiege der Menschheit“ …

Torsten Lohs aus Eisenhüttenstadt packte in Kobanê mit an

Mit einem einheimischen Kollegen aus Kobanê an der Lehmziegelwand des Gesundheitszentrums
Eisenhüttenstadt


Von der Region gehört hatte ich das erste Mal Ende Januar 2015, als nach 134 Tagen heldenhaftem Kampf die kurdischen Volksverteidigungseinheiten die Stadt Kobanê von den Terrorbanden des „Islamischen Staats“ befreit haben. Damit hatte die dortige Bevölkerung, neben Kurden, Araber, Perser, Aserbaidschaner, Turkmenen, Armenier und Assyrer, einen ersten Sieg errungen. Es galt jetzt, diesen Sieg zu sichern, indem die dort gewählte Selbstverwaltung mit dem Aufbau der bis zu 80 Prozent zerstörten Stadt begann. Mittlerweile kehren in die Region bis zu etwa 1 000 Menschen täglich zurück.

Meine Freundin fragte, worauf lasse ich mich da überhaupt ein? „Alle Politiker reden nur vom Bekämpfen der Fluchtursachen, aber ich kenne nur Einen, der freiwillig in dieses Krisengebiet fährt um Aufbauhilfe zu leisten, und das ist mein Freund.“ So gesehen ist der Einsatz der ICOR-Brigaden ein aktiver Beitrag, den Flüchtlingsströmungen wirklich entgegen zu wirken.

Kinder aus der Nachbarschaft

Ja, worauf ließ ich mich da wirklich ein?
Wir wollten nicht besser leben als die Einheimischen, sondern Aufbauarbeit leisten, in einem Gebiet, welches keine 30 km von der Frontlinie zum IS (sogenannter Islamischer Staat, red.) entfernt war. In einer zerstörten Stadt, für Flug und Unterkunft selbst aufzukommen, ohne fließend Wasser, auf Matratzen in Hitze und Kälte schlafen, in engen Baucontainern, mit bis zu fünf Kollegen auf einem Zimmer untergebracht sein. Bewusst auf Fleisch verzichten, weil dies für die Einheimischen kaum bezahlbar war. Um dann neun Stunden am Tag unentgeltlich Arbeit zu leisten unter zum Teil unbeschreiblich komplizierten, spartanischen Bedingungen.
Mit Kollegen zusammen arbeiten, die ich vorher noch nie gesehen habe und deren Sprache ich nicht spreche, dies war eine Herausforderung, die ich in meinem bisher 49-jährigen Leben so noch nicht erlebt habe. Alles für uns Europäer kaum vorstellbar.

Baubesprechung

Was ich dann vor Ort erlebte, war eine „Baustelle der besonderen Art“. Kollegen, Brigadisten, Einheimische, Kinder … empfingen uns singend, trotz all des Mangels und mit voller Zuversicht,
Es wird den Menschen dort nicht einfach gemacht, so boykottieren alle imperialistischen Mächte mehr oder weniger den dortigen Aufbau einer autonomen, demokratisch, fortschrittlichen Selbstverwaltung. Die Türkei schließt die Grenzen, so dass weder Menschen noch humanitäre Hilfsgüter in die Region kommen können.
So kam der Bau, den wir in Zusammenarbeit mit einheimischen Behörden organisierten, immer wieder aus Mangel ins Stocken. Trotzdem war der Optimismus und die Einsatzbereitschaft der Einheimischen sehr beeindruckend, wovon wir uns echt eine Scheibe abschneiden können.

Der eine Monat vor Ort war für mich sehr lehrreich, zeigte er mir doch, dass die Völker sich selbst befreien und ihre Probleme lösen können, wenn man sie lässt.
Es ist auch jede fremde Einmischung von außen zu verurteilen, deshalb bin ich entschieden gegen die Entsendung der Bundeswehr nach Syrien. Die Völker im Nahen und Mittleren Osten müssen sich selbst befreien! Das ist nur möglich, wenn man die Imperialisten aller Schattierungen aus der Region vertreibt.

* ICOR (eine Organisation zur Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen)