Petra Pau (MdB): Verfassungsschutz – ein neues Gesetz?
Damit ziehen wir die entscheidenden Konsequenzen aus den NSU-Nazi-Mord-Untersuchungen. Mit diesem hoffnungsfrohen Satz führte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) jüngst sein neues Verfassungsschutzgesetz im Bundestag ein. Zwei Aspekte hob er besonders hervor: Die V-Leute-Praxis werde sauberer geregelt und die Kommunikation unter den Diensten würde spürbar verbessert. Das klingt gut. Doch stimmt es?
Also erstens die V-Leute-Praxis: V-Leute der Sicherheitsbehörden, „Vertrauens“-Personen (!), dürfen künftig nur noch szenetypische Straftaten begehen, aber keine Gewalt gegenüber Personen ausüben. Hitlergruß zeigen Ja, Totschlagen Nein. Und zwar „grundsätzlich“, ergo in Ausnahmen doch.
Etwa, wenn die Infosucht der Behörden schwerer wiegt als der Mordfrust eines Nazis. Im Zweifel solle künftig der Chef des jeweiligen Amtes für Verfassungsschutz persönlich wägen und entscheiden. Das hatte es beim NSU-Desaster allerdings alles schon gegeben. Carsten S. zum Beispiel wurde damals wegen versuchten Totschlages aus rassistischen Gründen zu einer langjährigen Haftstraße verurteilt. Von da ab interessierte sich der Brandenburger Verfassungsschutz für ihn und führte ihn fortan als V-Mann „Piatto“. Er wurde von Amts wegen in der Nazi-Szene gehalten, staatlich gepäppelt und obendrein vorzeitig entlassen, was nur ging, indem die zuständige Justiz vom Verfassungsschutz belogen und betrogen wurde.
Ich habe im NSU-Untersuchungsausschuss den damaligen V-Mann-Führer von Nazi „Piatto“ gefragt, ob er im Rückblick nicht Zweifel an seinem damaligen Agieren hege. Seine Antwort war klar: Nein! Wenige Wochen später wurde selbiger Meier-Plath Präsident vom Verfassungsschutz Sachsen. Er ist also seither die moralische Endinstanz, auf die Thomas de Maizière nun schwört.
Also zweitens Kommunikation verbessern: „Piatto“ hatte geliefert. Und das Landesamt für Verfassungsschutz Brandenburg teilte seine Informationen sehr wohl mit „Verfassungsschützern“ in Sachsen und Thüringen. Hätten wir das alles gewusst, sagten uns hingegen Kriminalbeamte, so hätten wir das zur Fahndung ausgeschriebene Nazi-Trio höchst wahrscheinlich gefasst, und zwar bevor deren Mordserie begann. Doch die Kriminalämter durften das nicht erfahren. Bestand doch aus Sicht der Geheimen die Gefahr, dass ihre „Quelle“ aufflog, nämlich „Piatto“, der Nazi-V-Mann von Verfassungsschutz Gnaden. Auch an diesem Prinzip – Quellenschutz vor Ermittlungen – ändert der neue Gesetzentwurf Nullnichts.
Und so bleibt: Seine Verheißung ist riesig, der Inhalt ist nichtig. Schlimmer noch: Der Bundesinnenminister versucht, geheimdienstliche Unmoral per Gesetz zu rechtfertigen.