Soziales Europa
Brandenburgs Europaminister Ralf Christoffers im Gespräch
Dass die Europäische Union nicht nur eine Wirtschafts-, sondern auch eine Sozialunion wird, dafür kämpft die LINKE. Bisher gab es keine Mehrheiten dafür. Nun haben die Europaminister der deutschen Bundesländer erstmalig eine Diskussion über soziale Mindeststandards in Europa geführt. Woher kommt der Sinneswandel?
2012/2013 war ich Vorsitzender der Europaministerkonferenz, der erste Minister der LINKEN in dieser Position. Ich konnte meine Amtskollegen – in Zusammenarbeit mit Nordrhein-Westfalen – dafür gewinnen, dass die Europäischen Verträge so entwickelt werden müssen, dass in allen Mitgliedsstaaten eine soziale Absicherung zum Beispiel bei Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Ausbildung erfolgt. In Ländern wie Ungarn oder Rumänien gibt es eine solche Absicherung nicht. Außerdem geht aus dem Sozialbericht der Europäischen Kommission vom Januar 2013 hervor, dass die Arbeitslosigkeit in der EU Werte erreicht hat, die es seit rund 20 Jahren nicht mehr gegeben hat. Die Einkommen der Haushalte sind geschrumpft und Armuts- und Ausgrenzungsrisiko steigen.
Aber Änderungen kann die deutsche Europaministerkonferenz nicht beschließen?
Nein, aber sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Kommission müssen sich mit einem möglichen deutschen Antrag der deutschen Bundesländer befassen. Auch der Ausschuss der Regionen in Europa will entsprechende Regelungen in den europäischen Verträgen verankert sehen. Werden diese geändert, sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, dies in nationales Recht umzusetzen.
Was hat das für konkrete Auswirkungen?
Zum Beispiel werden Projekte zwischen deutschen Bundesländern und Italien oder Spanien zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit finanziell von der EU unterstützt. Mit Investitionen im sozialen Bereich können in einigen EU-Ländern Anreize geschaffen werden, dass es nicht zur „Armutswanderung" kommt. Und: Eine soziale Fortschrittsklausel würde regeln, dass soziale Rechte den gleichen Rang wie wirtschaftliche Freiheiten und Wettbewerbsregeln haben; Löhne, Arbeitsbedingungen und soziale Sicherungssysteme hätten zu Gunsten der EU-Bürgerinnen und -Bürger einen höheren Stellenwert.
Mit einer solchen Fortschrittsklausel hätte zum Beispiel der Anpassungsprozess in Griechenland, Spanien oder Portugal für die Bürgerinnen und Bürger sozialer gestaltet werden können. Mit einer Änderung würden sich eindeutig linke Positionen in der Europapolitik durchsetzen.