17.02.2015
Andrea Pohl
Erschienen in: Widerspruch (Fürstenwalde, Brandenburg)

Ich war dabei …

Am 17. Januar 2015 fand in Berlin die fünfte Demonstration gegen die Massentierhaltung und für eine Agrarwende „Wir haben es satt!“ statt. 50 000 Menschen demonstrierten unter dem Motto „Stoppt Tierfabriken, Gentechnik und TTIP. Für die Agrarwende!“

Erkner/Landkreis Oder-Spree

Mein Hobby gehört dem Tierschutz. Von Zeit zu Zeit finde ich Einladungen von Tierschutzorganisationen zu Demos oder Vorträgen, zu Aktionen oder Spendenaufrufe. Die Albert Schweizer Stiftung für unsere Mitwelt rief zur Teilnahme an der Demo gegen Massentierhaltung am 17. Januar 2015 auf.


Ich habe mich bisher schwer getan, zu diesen Demos zu gehen und dort vielleicht mit drei Hansels wichtige Zeit zu vertrödeln. Außerdem bin ich ja nicht gerade der beste Läufer, und da findet man schon mal ne Ausrede um „diesmal“ nicht zu gehen.


Doch „dieses Mal!“ sollte es anders sein. Auch in Brandenburg regt sich Widerstand gegen geplante Großställe und Tierleid. In den Medien tauchen immer öfter Berichte über Verstöße gegen Tierwohl oder unnützer Einsatz von Antibiotika auf.

  • Warum sterben die Bienen und andere Insekten?
  • Warum tauchen Seuchen immer häufiger in Großställen auf?
  • Warum gibt es Menschen, die auf kein Medikament mehr reagieren?
  • Was geschieht da mit der Umwelt und letztlich mit uns?

Also habe ich die Mail weitergeleitet und gefragt, wer mitkommen würde. Ergebnis: Mager, nur eine Rückmeldung! Nun gut, dann sind es eben wirklich nur drei Hansels dachte ich. Habe gehofft, dass die Bekannte nicht auch noch abspringt. Aber sie blieb bei der Stange und so sind wir aufgebrochen zum Potsdamer Platz, dem allgemeinen Treffpunkt. Unterwegs haben wir noch den Sohn und den Enkel der Bekannten aufgelesen und trafen auf dem Zielbahnhof schon die ersten Menschen in Kuhkostümen oder Hüten mit Tierfigu­ren und Kuhglocken. Wir waren also doch schon mehr als drei. Am Treffpunkt angekommen, war schon Trommeln im Gange und aus Lautsprechern waren Aktivisten zu hören, die ihre Sicht auf die Dinge darlegten. Es waren Plakate, Fahnen, Transparente, Autos mit Bildern aus Tierfabriken oder ökologischem Landbau, Bollerwagen umgebaut zu Käfigen, Menschen mit Maiskolbenkostümen oder als Bienen verkleidet und, und, und. Eine Frau kam mit den bunten Fahnen von „campact“ mit der Aufschrift „TTIP-Stoppen“ und gab mir eine.


Wohin das Auge blickte, Menschen und Ideen und Freude beim Wiedererkennen alter und neuer Bekannter. Ich habe Erk­ners ehemalige Pastorin Heilmann und ihren Mann getroffen, mit Leuten vom Tierschutzbüro gesprochen. Ein Schweizer sprach mich an und wollte den Protest gegen TTIP – dem geplanten Handelsabkommen mit den USA – erklärt haben. Es war eine unglaubliche Stimmung.


Eine Frau aus Brandenburg sprach auf der Bühne über Äußerungen unseres Landwirtschaftsministers. Am Ende ihrer Ansprache rief sie: Herr Minister Vogelsänger – legen sie ihr Amt nieder, denn sie haben keine Ahnung von Landwirtschaft! Auch der Bundeslandwirtschaftsminister und die Regierung insgesamt haben ihr „Fett“ abbekommen. Die Zuhörer applaudierten. Dann wurden Sprüche skandiert, was ein Großteil der Menschen will und was nicht.


Danach kam die Ankündigung, dass es jetzt losgehen werde und der Protestmarsch mit 90 Traktoren aus dem gesamten Bundesgebiet gestartet würde. Ordner spannten rot-weißes Sperrband, um die Gasse für die Traktoren freizumachen, und dann ging es los.


Haben Sie das schon mal so nah erlebt, wenn sich solch eine Karawane geschmückter Traktoren in Bewegung setzt? An den Traktoren hingen Schilder, worauf stand, dass Menschen und Vereine gespendet hatten, um die Traktoren auf die Reise in die Hauptstadt zu schicken, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen.


Man fühlte sich in einer großen Familie Gleichgesinnter. Dann setzten sich auch die Fußgänger in Bewegung. Da liefen Tierschützer, junge Landwirte, Piraten, Ärzte gegen Tierversuche, Linke, BUND, NABU, Grüne, Menschen mit kirchlichem Hintergrund, TTIP und CETA Gegner, Bienenzüchter, Vertreter vom „schwarzen Block“, Gruppen aus München, Bremen, der Uckermark, dem Wendland, Königs Wusterhausen und, und, und …


Wir haben uns dann auch eingereiht und sind durchs Regierungsviertel marschiert. Nach etwa zwei Stunden haben wir eine 20-minütige Pause gemacht, und da liefen immer noch Demonstranten an uns vorbei. Kurz vor Ende des Zuges haben wir uns wieder unter die Leute gemischt und sind weitergezogen. Meine Bekannte hatte ein Schild mit einem Spruch zu veganer Lebensweise, wurde x-mal photographiert und erhielt nur positive Kommentare und Gesten. Als wir dann am Kanzleramt ankamen, waren da viele Stände und noch mehr Menschen. Junge Menschen verteilten Rote-Beete-Knollen von ihren Höfen, es wurden auch wieder kurze Statements von der Bühne abgegeben.


Inzwischen war es 16 Uhr und wir haben die Demo verlassen. Wir sind dann eine Station mit der Kanzler-U-Bahn zum Hauptbahnhof gefahren. Das ist ja auch schon eine Sehenswürdigkeit. Von dort konnten wir die Abfahrt der Traktoren noch sehen.


Dann kam unser Zug nach Hause. Ich bin froh, dass ich diesmal keine Ausrede hatte und teilgenommen habe an dieser wirklich tollen Veranstaltung. Dem RBB war das nur wenige Sekunden wert, aber in der Tagesschau wurde dann schon mehr gezeigt. Es sind eben nicht mehr bloß ein paar Spinner, die da demonstrieren, und es werden mehr …


Andrea Pohl,
Erkner, Mitglied der Fraktion DIE LINKE in der Stadtverordnetenversammlung