17.02.2015
Franziska Schneider
Erschienen in: Widerspruch (Fürstenwalde, Brandenburg)

Freunde zum Anfassen

Berlin

Das Fotobuch von Brigitte Großmann dokumentiert die Völkerfreundschaft zwischen Schülern, Lehrern und den Soldaten und Offizieren der Krampnitzer Division der Roten Armee von 1982 bis 1989. Brigitte Großmann, eine ehemaligen Sport- und Geschichtslehrerin in Ost-Berlin, schildert in kleinen thematischen Ausschnitten von Begegnungen der besonderen Art. Briefe von ihren Schülerinnen und den Soldaten mit ihren ganz persönlichen Eindrücken aus heutiger Sicht bereichern das Buch um eine weitere Sichtweise. Anschaulich dokumentieren im letzten Drittel des Buches Bilder die Begegnungen mit den „Freunden zum Anfassen“ bis hin zu privat entstandenen Freundschaften.


Es ist das Kleine, das Zwischenmenschliche, der Kontakt zwischen Völkern, der mitreißt und in dem Buch als Funke überspringt. Das Fotobuch erscheint zunächst unaufgeregt und wenig spektakulär. „Wozu das denn?“, könnte sich gefragt werden. Wen interessieren heute noch Erinnerungen an die DDR – positive Erinnerungen passen nicht in die Sieger-Geschichtsschreibung? Aber wer einmal mit dem Lesen anfängt, hat das Buch ruckzuck durchgeblättert und durchgelesen. Es sind Erinnerungen an insgesamt 85 Begegnungen zwischen Schülern, Lehrern und Soldaten sowie Offizieren aus der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD). Die Zusammentreffen führten an historische Stätten wie das Kapitulationsmuseum in Berlin-Karlshorst (heute Deutsch-Russisches Museum) oder das Ehrenmal im Treptower Park. Aber auch Sportbegegnungen und Musikabende gehörten zu den Begegnungen zwischen den Schülern und Soldaten.

Zeichnung Gertrud Zucker


Das Buch hat einen besonderen Vorzug: Es zeigt mehrere Erzählweisen auf. Es sind zwar sehr persönliche Geschichten, allerdings kommen alle Beteiligten zu Wort, und Brigitte Großmann schafft es, die einzelnen Blickwinkel von den Soldaten, den Schüler und ihr als Lehrerin in den wenigen Seiten darzustellen. Inhalt und Form des Buches ergeben zusammen ein Ganzes. In dieser Symbiose werden die persönlichen Schilderungen von Brigitte Großmann, den Schülern und Soldaten greifbar – es entsteht ein Bild der „Freunde zum Anfassen“.


Das Buch ist nicht nur lesenswert, weil Ministerpräsident a. D. Matthias Platzeck das Vorwort geschrieben hat. Die erfrischende Darstellung von Erlebnisberichten zwischen zwei Völkern passt sehr gut als Gegenbild der heutigen medialen und politischen Darstellung von Russland. Das Fotobuch ist nicht nur für jene interessant, die an Völkerfreundschaften jeglicher Art Erinnerungen haben, sondern auch für alle, die sich auf eine Reise voller Empathie einlassen wollen.

Büste N. A. Sinowjew, siehe Bericht auf Seite 11 ff


Zugegeben egoistisch: Schade, dass Brigitte Großmann nicht auch meine Lehrerin war. Ich bin Ende der achtziger Jahre geboren, habe die Wende mit Nuckel im Mund verschlafen und dafür aber mehrere Bildungsreförmchen in den neuen Bundesländern miterleben dürfen. Vielen meiner Generation, die wie ich nicht ein einziges Mal die Geschichte der DDR im Unterricht hatten, würde diese Buch sehr gut tun. Ich danke Brigitte Großmann für dieses Fotobuch, dass mir an einem Nachmittag mehr über die DDR und die sowjetischen Streitkräfte erzählt hat, als ich es in der Schule je gelernt habe.

Das Büchlein:

Brigitte Großmann, Freunde zum Anfassen, 55 Seiten, Eigenverlag, Berlin, 2015, Bezug über: gittl.grossmannweb.de
Im Internet auf den Seiten der „Berliner Freunde der Völker Russlands e. V.“:
http://www.berliner-freunde-russlands.de/uploads/2/0/9/0/20907040/gromann_-freunde_zum_anfassen.pdf