„Jeder Fall von Kindswohlgefährdung ist einer zu viel“
Kreistag Oder-Spree bringt die Qualifizierung der Kinderschutzberichterstattung auf den Weg
Der Kreistag Oder-Spree soll in seiner Sitzung am 18. Februar das „Kinderschutzmonitoring 2013“ als Fortschreibung der Kinderschutzberichterstattung im Landkreis Oder-Spree beschließen. Das umfängliche Zahlenwerk ist die Grundlage für die Qualifizierung des Kinderschutzes und der frühen Hilfen in unserem Landkreis. Der Auftrag an die detaillierte Datenanalyse war die Ableitung von Arbeitshypothesen – dies jedoch hat das beauftragte „Europäische Institut für Sozialforschung“ nicht erfüllt.
Das Zahlenmaterial lässt jedoch einen tiefen Blick in die Lebenswelten von Kinder und Jugendlichen in Oder-Spree zu – leider auch einen teilweise erschreckenden.
Das Kinderschutzmonitoring 2013 kommt im Ergebnis zwar zu dem Schluss, dass bei gleichzeitigem Bevölkerungszuwachs der unter 18-jährigen und dem gleichzeitigen Anstieg der Meldungen zu Kindswohlgefährdungen ein Rückgang der tatsächlich festgestellten Gefährdungen festzustellen ist. Jedoch ergeben sich Unterschiede zwischen den vier Planungsräumen.
Die Probleme für die Familien, insbesondere auch bei Alleinerziehenden, in Fürstenwalde (Spree) und Eisenhüttenstadt sind deutlich größer als im ländlichen Raum. Und dies bei einem dichteren System der Hilfen in den städtischen Räumen. Doch die Angebote werden noch immer zu wenig genutzt, sind vielleicht auch am Bedarf vorbei entwickelt oder einfach nur nicht bekannt. Hier muss noch mehr Aufklärung geleistet werden. Kinderärzte sind genauso gefordert wie Schulen, Horte, Sportvereine und Jugendclubs.
Auffällig ist, dass die Zahl der Kindswohlgefährdungen in der Altersgruppe bei den über 6-jährigen und vor allem bei den über 12-jährigen massiv angestiegen ist. Die Schwerpunktsetzung beim Kinderschutz auf die Gruppe der 0- bis 3-jährigen in der letzten Wahlperiode war und ist richtig, sind diese Kinder doch am schutzlosesten. Aber für die älteren Kinder muss nunmehr gelten, hier darf nicht weggeschaut werden.
Jeder Fall von Kindswohlgefährdung ist einer zu viel. Die Systeme von Bildung und Jugendhilfe müssen hier noch enger zusammenarbeiten, um verlässliche Stützsysteme für die Kinder und Jugendlichen und ihre Familien aufzubauen. Die Träger dieser Hilfen brauchen aber die konstante und bedarfsgerechte Finanzierung ihrer Leistungen durch den Landkreis Oder-Spree.
Rücklagen im kreislichen Haushalt in Millionenhöhe auf der einen Seite und fehlende Hilfsangebote für Kinder und Jugendliche und ihre Familien auf der anderen Seite sind nicht zu akzeptieren!
Bei den insgesamt festgestellten tatsächlichen Gefährdungen im Landkreis zeigt sich im Jahresvergleich 2013 zum Vorjahr ein deutlicher Rückgang von 303 auf 262 Kindswohlgefährdungen. Das Verhältnis der von Meldungen angezeigten Kinder zu tatsächlich gefährdeten Kindern im Landkreise verbleibt im Jahresvergleich 2012 zu 2013 bei knapp einem Drittel, d. h. etwa zwei Drittel der angezeigten Meldungen bestätigen sich nach eingehender Risikoeinschätzung nicht.
In 2013 ist ein Rückgang der Inobhutnahmen aufgrund latent und akut gefährdeter Kinder im Landkreis von 99 in 2012 auf 80 in 2013 zu verzeichnen, was bedeutet, dass Inobhutnahmen bei 0,32 Prozent aller im Landkreis Oder-Spree lebenden Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahren im Jahr 2013 stattgefunden haben. Zum Vergleich: In Deutschland sind die Inobhutnahmen im Jahr 2012 und 2013 kontinuierlich angestiegen, im Vergleich zum Jahr 2007 sogar um 43 Prozent.
Der Jugendhilfeausschuss hat Schlussfolgerungen für die weitere inhaltliche Arbeit im Kinderschutz gezogen
- Qualifizierung der Verfahren im Kinderschutz,
- Einbezug der Adressaten in die Planung von Unterstützungsmöglichkeiten sowohl im Sinne von Hilfen zur Erziehung als auch im Sinne präventiver Maßnahmen für alle Familien,
- weitere Implementierung der Netzwerke und eine abgestimmte Kooperation.
Im Zeitraum der Betrachtung des Kinderschutzmonitorings (2013) wurden für vorläufige ambulante und stationäre Schutzmaßnahmen insgesamt 1.503.651,12 Euro ausgegeben. Im Jahr 2014 werden voraussichtlich 1.593.300 Euro für diesen Bereich zur Verfügung stehen. Ich zweifele an, dass das ausreicht.
Stephan Wende, Fürstenwalde