28.07.2014
Jürgen Strauß, Erkner
Erschienen in: Widerspruch (Fürstenwalde, Brandenburg)

Wir im „Speck“-Gürtel von Berlin

Erkner erhält für die Funktion als Mittelzentrum jährlich 800 000 Euro vom Land

Erkner

Erkner war Industriestandort und Schlafstadt für Berlin. Heute liegt die Stadt zwischen Seen und Wäldern immer noch vor den Toren der Hauptstadt, ist aber nicht mehr durch die Chemieindustrie geprägt. Schlafstadt ist sie immer noch und sucht nach einer weiteren Definition. Wollen wir als Touristik­standort für Tagesgäste das Tor zum Grünheider Seengebiet sein oder die Kulturstadt mit dem Namen Gerhart Hauptmann werden? Wollen wir doch lieber Bildungsstandort sein mit fünf Schulen, mit Außenstellen der Musik- und Volkshochschule, mit privaten kulturellen Bildungsangeboten, dem Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung, dem Bildungszentrum Erkner und sieben Kinderbetreuungseinrichtungen? Wollen wir Gesundheitsstandort mit verschiedenen Ärzten, Pflegeeinrichtungen und Sportmöglichkeiten sein? Reichen uns die rund 80 Einzelhandelsbetriebe mit 13 000 m² Verkaufsfläche? Verkehrsknotenpunkt sind wir schon. Damit sind natürlich Probleme verbunden. Durch die Friedrichstraße wälzen sich täglich zehntausende Fahrzeuge mit Lärm, Abgasen und Feinstaub, Fußgänger haben Schwierigkeiten. Das Radwegenetz ist lückenhaft, einen Parkplatz findet man bei den Einkaufseinrichtungen kaum und am Bahnhof ab 7 Uhr morgens gar nicht mehr.


Alle diese vorhandenen Bedingungen haben sicherlich den Ausschlag gegeben, dass Erkner im Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg 2009 als Mittelzentrum für den Mittelbereich Woltersdorf und Schöneiche bei Berlin ausgewiesen wurde. Mit 42 km² Gesamtfläche verfügt die Stadt damit über den kleinsten Mittelbereich im Land Brandenburg. Auch hinsichtlich der Bevölkerungszahl von 32 000 im Jahr 2013, gehört dieser zu den kleineren Mittelbereichen Brandenburgs.


Wir liegen alle im sogenannten „Speck“-Gürtel Berlins und haben damit ähnliche Probleme zu lösen. Erkners Einwohnerzahl ist im Gegensatz zu der in Woltersdorf und Schöneiche rückläufig. Bürgermeister Kirsch (SPD) kämpft darum, neue Wohnungsbauflächen vor allem an den Rändern der Stadt ausweisen zu können. DIE LINKE ist der Meinung, nur Wohnungsneubau wird das Problem nicht lösen. Die Infrastruktur und die Arbeitsmöglichkeiten müssen entsprechend gestaltet werden. Um Wohnungen zu bauen gibt es auch im Stadtgebiet noch Möglichkeiten. Außerdem wollen wir nicht auf Kosten der Kommunen aus dem berlinfernen Raum wachsen.


Ein Mittelzentrum soll öffentliche und private Güter- und Dienstleistungsangebote, Versorgungseinrichtungen, technische, soziale, kulturelle Verwaltungs- sowie Sport- und Bildungsinfrastrukturen sichern, die Verflechtung mit der Hauptstadt aufrecht erhalten und die Zersiedlung der Landschaft verhindern. In Schöneiche und Woltersdorf gibt es kritische Stimmen, die meinen, dass durch die Berlinnähe viele Mittelzentumsfunktionen nicht in Erkner liegen. Zum Teil haben sie recht. Seit 2010 wird Erkner jährlich mit 800 000 Euro vom Land unterstützt, um die Mittelzentrumsfunktion zu sichern. Sicherlich erzeugt diese Förderung bei einigen vorschnell Neid und bei anderen problemorientierte Fragen. Sie darf aber nicht zur Konfrontation der Orte führen. Im Gegenteil! Zusammenarbeit muss dazu beitragen, dass Woltersdorf und Schöneiche von den in Erkner ausgegebenen Euros profitieren. Leider gibt es im Haushalt der Stadt keinen speziellen Posten, in dem die konkreten Verwendungszwecke dafür ausgewiesen sind. DIE LINKE hat hierzu wiederholt gefragt, aber nie eine befriedigende Antwort bekommen.


Trotz dieser Problematik setzt sich die Fraktion DIE LINKE in Erkner für die Verbesserung der kommunenübergreifenden Abstimmung und Kooperation im Mittelbereich, mit Berlin Köpenick und mit Gosen-Neu Zittau sowie Grünheide ein. Felder für die Kooperation gibt es genug. Genannt seien hier nur die Siedlungsentwicklung, der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) und die gesamte Verkehrsführung sowie der Lärmschutz.
Nach der Sommerpause ist ein Treffen der kommunalen Fraktionen der LINKEN aus Erkner, Woltersdorf und Schöneiche geplant, um einen neuen Anlauf der Zusammenarbeit zu wagen. Zunächst geht es um gegenseitiges Informieren, um eventuell abgestimmte Anträge und gemeinsame Aktionen. Sicherlich ist dann auch eine Kooperation von Ausschüssen der Gemeindevertretungen möglich. Wenn zwischen den Bürgermeistern das Gespräch schwierig ist, muss es eben von untern wachsen.