Digitale Gewalt kann uns alle treffen
Seit vielen Jahren kämpfen wir gegen Gewalt, die Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen begegnet. 2017 wurden 147 Frauen von ihrem (Ex-)Partner getötet, 224 Frauen überlebten solche Tötungsversuche. In den Medien werden diese Morde dann meist Tatsachen verdrehend als Beziehungsdrama bezeichnet.
Im Land Brandenburg lag die Zahl der gemeldeten Fälle von häuslicher Gewalt im Jahr 2017 bei 4254, bundesweit wurden 140.000 Menschen Opfer häuslicher Gewalt, 82 Prozent waren Frauen.
Mich schockiert, wie wenig ernst Gewalt gegen Frauen im Internet genommen wird. Die Polizei kennt sich z. B. nur äußerst selten mit den Möglichkeiten für digitales Stalking durch unsichtbare Apps auf dem Handy aus. Wenn Frauen aber dadurch jederzeit geortet werden können, steigt ihr Risiko, Opfer physischer Gewalt zu werden. Auch mit Beleidigungen bis hin zur Androhung von Vergewaltigung, Misshandlungen und Mord werden Frauen zunehmend im Netz konfrontiert. Bislang fehlen Polizei und Justiz die fachliche Kompetenz und die personellen Kapazitäten, um sich angemessen um diese Rechtsbrüche zu kümmern. Das voriges Jahr in Kraft getretene Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) bringt hier nur wenig Abhilfe. Es führt bestenfalls zur Löschung von Hassnachrichten, aber nicht zur Strafverfolgung. Und die Entscheidung, ob überhaupt gelöscht wird, liegt im Ermessen von Großkonzernen wie Facebook oder Twitter. Messengerdienste sind überhaupt nicht vom NetzDG erfasst.
Digitale Gewalt ist jedoch mehr als Hassnachrichten, dazu zählt auch Identitätsmissbrauch, z.B. durch das Anlegen gefälschter Profile auf Pornoseiten, oder der Versand intimer Fotos an den Arbeitgeber.
Anfang des Jahres rückte das Thema nun in den Fokus der Öffentlichkeit, als ein 20-Jähriger private, teils intime Daten von fast 1000 Politiker*innen und Personen des öffentlichen Lebens über einen Twitter-Account verbreitete. Digitale Gewalt, und dazu zählt das Veröffentlichen persönlicher Informationen Dritter im Netz, so genanntes Doxing, kann uns alle jederzeit treffen. Bislang blieb die Bundesregierung jedoch weitgehend untätig, was die Verfolgung von und den Schutz vor Doxing angeht. Sie lässt die Opfer allein. Noch im Dezember 2018 hat die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von mir geantwortet, dass Doxing für sie kein Cybercrime sei und kein Handlungsbedarf bestünde. Erst jetzt, wo Prominente und Politiker*innen betroffen sind, zeichnet sich ein Umdenken ab.
Ich fordere daher von der Bundesregierung Informationen zu konkreten Maßnahmen, wie sie das Ausmaß digitaler Gewalt erfasst und wie sie dagegen vorgeht. Es wird Zeit, dass die Polizei konsequent Ermittlungen aufnimmt und die Justiz Recht auch durchsetzt. Als Feministin, Netzaktivistin und als persönlich Betroffene ist mir das besonders wichtig.