Karl-Marx bleibt aktuell
LINKE Fürstenwalde gedenkt Karl Marx an seinem Todestag
Zur Zeit ist eher der junge Karl Marx, dank des hervorragenden Kinofilms von Raoul Peck, in vieler Munde. DIE LINKE in Fürstenwalde gedachte traditionell an seinem Todestag – am 14. März – des großen Philosophen. Am Gedenkstein, der in den politischen Wirren der Wendejahre das Poträt von Karl Marx verlor und das durch fleißiges „Dickebretter-Bohren“ und Spendesammeln der LINKEN in Fürstenwalde wieder hergestellt wurde, legten Mitglieder des Ortsvorstandes und der Stadtfraktion ein Blumengebinde nieder.
Der Filmemacher Raoul Peck beschreibt die Ursprünge der internationalen sozialistischen Bewegung, die Entstehung des Bundes der Kommunisten und seines Gründungsdokuments, des Kommunistischen Manifests. Zugleich entwirft der Film das Porträt zweier ungestümer junger Männer, die fest an die Vision einer humanen Gemeinschaft und die revolutionäre Kraft der Ausgebeuteten und Unterdrückten glauben. Ein Riesendank an unsere Abgeordneten Thomas Nord und Volkmar Schöneburg, die als Paten den Film gleich in drei Kinos in Oder-Spree holten.
Dabei ist es beliebt, sich über Karl Marx lustig zu machen. Vor allem Mainstream-Ökonomen finden es immer wieder amüsant, dass es nicht zu jenem Massenelend gekommen ist, das Marx prognostiziert hatte. So höhnte der Nobelpreisträger Paul Samuelson: „Man sehe sich die Arbeiter mit ihren Autos und Mikrowellen doch an – besonders verelendet sehen sie nicht aus.“
Doch auch diesen Spott hat Marx längst überstanden. Marx gehört bis heute zu den meistzitierten Ökonomen, obwohl permanent verkündet wird, dass er historisch überholt sei.
Warum ist Marx so bleibend aktuell? Diese Frage wird 2017 wieder Hochkonjunktur haben, denn es gilt ein Jubiläum zu feiern: Marx’ Hauptwerk „Das Kapital“ wird 150 Jahre alt.
Am Stil kann es jedenfalls nicht liegen, dass „Das Kapital“ zu einem Klassiker geworden ist. Das Buch ist fast unleserlich, wie schon Jenny Marx befand. Sie riet einem befreundeten Sozialisten, „die dialektischen Spitzfindigkeiten der ersten Abschnitte“ einfach zu überspringen. Doch obwohl „Das Kapital“ so schwer verdaulich ist, übt es bis heute einen ungeheuren Sog aus. Und glücklicherweise gibt es auch ganz jugendgerechte Versionen des Marxschen Hauptwerkes. Der Comic-Zeichner Jari Banas brilliert pünktlich zum Jubiläum mit „Das Kapital“ als Comic: Für Einsteigerinnen und Einsteiger.
Karl Marx war der erste Theoretiker, der die Dynamik des Kapitalismus richtig beschrieben hat: Die moderne Wirtschaft ist ein permanenter Prozess – und kein Zustand. Einkommen ist niemals garantiert, sondern entsteht erst, wenn unablässig investiert wird. Der Kapitalist darf niemals ruhen, kann sich nicht am Erreichten freuen, sondern muss die Profite stets erneut investieren, wenn er im Rennen bleiben will. Das Gewinnstreben scheint zum Selbstzweck zu verkommen, oder wie es Marx in einem seiner berühmtesten Zitate formulierte: „Akkumuliert, Akkumuliert! Das ist Moses und die Propheten!“
Indem Marx den systemischen Prozess betonte, die permanente Verwertung, verlieh er dem Begriff „Kapital“ eine neue Bedeutung. Bis dahin hatten die Ökonomen „Das Kapital“ als etwas Statisches betrachtet. Geld und Maschinen galten als Vermögenswerte „an sich“, die man mühelos bilanzieren konnte. Bei Marx gab es keine Werte, die irgendwie vorhanden waren. Kapital bildete sich erst, wenn produziert wurde, wenn Güter entstanden, die sich mit Gewinn verkaufen ließen.
Marx’ Analyse gilt bis heute, wie aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen: Großkonzerne machen zwar nur ein Prozent der deutschen Firmen aus, aber im Jahr 2012 generierten sie 68 Prozent des gesamten Umsatzes. Gleichzeitig sind 81 Prozent aller Firmen Kleinstbetriebe – aber gemeinsam kamen sie 2012 nur auf ganze 6 Prozent des Umsatzes. Die deutsche Wirtschaft ist also extrem konzentriert; wenige Großkonzerne kontrollieren die gesamte Wertschöpfungskette, von den Rohstoffen bis zum Absatz.
Der Kapitalismus ist zutiefst dialektisch: Die Konkurrenz treibt die Unternehmer an, bis von der Konkurrenz fast nichts mehr übrig ist. Doch obwohl Marx diese Erkenntnis schon vor 150 Jahren formulierte, ist sie im ökonomischen Mainstream noch immer nicht angekommen. Stattdessen träumen die meisten Volkswirte weiterhin von einer „Marktwirtschaft“, die durch „perfekten Wettbewerb“ gekennzeichnet ist.
Es ist kein Zufall, dass die Mainstream-Ökonomen so beharrlich versuchen, Marx zu ignorieren und zu tabuisieren. Wenn sie ihn lesen würden, müssten sie ihre eigene Theorie in den Mülleimer werfen.
Die Beschäftigung mit Marx ist weiterhin geboten, ob im Kino, beim Lesen als Comic oder in einer der vielen Rezensionen. Vielleicht sogar mit dem Original.
Stephan Wende,
Fraktionsvorsitzender der LINKEN in der SVV Fürstenwalde, Mitglied des Kreistages Oder-Spree