Linkskurs gestärkt – Segel setzen
Der um eine Stunde verkürzten Nacht zum Trotz waren die 116 DelegiertInnen der 2. Tagung des 5. brandenburgischen Landesparteitags der LINKEN ausgeschlafen genug, ihr Pensum am vergangenen Sonntag zu erfüllen. Es sollte das letzte Mal vor der kommenden Bundestagswahl im Herbst 2017 sein, dass man sich traf. So waren am Vortag zunächst MitgliederInnen und SympathisantInnen in die Wahlwerkstatt nach Potsdam eingeladen, um dann am 26. März konkrete brandenburgische Themen anzugehen.
Zur Begrüßung im Kongresshotel am Templiner See bediente sich der Landesvorsitzende Christian Görke nur zu gern maritimer Redewendungen: Man solle bei Wind nicht im Hafen bleiben, sondern die Segel setzen und sich den Herausforderungen stellen. Und obwohl die Besatzung der LINKEN das Regierungsschiff bis zur Halbzeit keineswegs hatte in Seenot geraten lassen, hieß das Motto „Frauen und Kinder zuerst!“. Nachdem von Christian Görke eine positive Bilanz der Jahre 2014–2017 gezogen worden war – nachzulesen in einer Handreichung der Landesregierung (siehe Seite 7 unten) –, kündigte er überraschend an, dass man ab August 2018 in allen brandenburgischen Kindereinrichtungen den Elternbeitrag für das erste Jahr erlassen wolle. In der Generaldebatte stellte daraufhin Gerrit Große, Sprecherin für Kinder-, Jugend- und Kulturpolitik, einen entsprechenden Initiativantrag, der als erster Schritt zu einer kostenlosen Kinderbetreuung einstimmig angenommen wurde.
Zudem legte die LAG LINKE Frauen zusammen mit dem Landesverband rechtzeitig vor den kommenden Wahlkämpfen das „Konzept zur Herstellung der Geschlechtergerechtigkeit im Landesverband Brandenburg“ vor, um die gleichberechtigte Teilnahme der Frauen an der politischen Arbeit insbesondere in unserer Partei zu erleichtern. Seinen Ausdruck fand dieser Anspruch nicht zuletzt in dem Antrag, künftig auch „zwei Landesvorsitzende unter Berücksichtigung der Mindestquotierung“ als Doppelspitze einsetzen zu können. Für eine dementsprechende Änderung der Satzung DIE LINKE Brandenburg votierten 105 von 112 anwesenden DelegiertInnen. (Ein ähnliches Ergebnis erhielt auch Anja Mayer, die sich erfolgreich der Wahl zur Landesgeschäftsführerin gestellt hatte.)
Kommunale Selbstverwaltung stärken
Unter dem Titel „Brandenburg gestalten – Kommunale Selbstverwaltung und Demokratie stärken“ ging schließlich der am meisten diskutierte Antrag dieser Parteitagstagung in die Beschlussdebatte: Auf diesen bezogen sich allein vier weitere Änderungsanträge, die alle – wie auch der Antrag selbst – die Zustimmung der DelegiertInnen fanden. Angesichts der auch auf der 2. Tagung thematisierten Verwaltungsstrukturreform wurden hier Chancen zur demokratischen Mitbestimmung aufgezeigt, die nicht zuletzt Änderungen der brandenburgischen Kommunalverfassung zur Folge hätten. Man wolle sich dafür einsetzen, vor allem Bürgerbegehren und Bürgerentscheide zu erleichtern. Die kommunalen Fraktionen und die einzelnen, zumeist ehrenamtlich tätigen KommunalvertreterInnen seien zu unterstützen, die Ortsteile mit eigenen Budgets auszustatten, die Anliegen der Dorfbewegung zu fördern, die Verwaltungen bürgernah zu gestalten.
Antrag der LOS-Delegierten findet Zustimmung
Ergänzungen wurden hier vor allem von jenen eingebracht, die ihre Interessen nicht genügend gewürdigt sahen und daher um mehr Mitwirkung rangen, so die VertreterInnen verschiedener Beiräte, die Sorben/Wenden und wiederum die Frauen. Erfreulich ist, dass auch der Änderungsvorschlag von vier DelegiertInnen des Landkreises Oder-Spree – Artur Pech, Helga Losch, Rita-Sybille Heinrich und Heidi Wiechmann – auf Zustimmung traf: Es ginge darum, „die Verwaltungsstrukturreform so zu gestalten, dass zusätzliche finanzielle Belastungen für die bereits jetzt kreisangehörigen Städte und Gemeinden verhindert werden“. Dieser Passus mit Blick auf die Kreisneugliederung fand Eingang in den Antrag.
„Prävention und Therapie statt Prohibition und Bestrafung“ – bereits die Überschrift zum Antrag von MitgliederInnen vor allem aus den Reihen der Linksjugend [´solid] Brandenburg umschrieb den Kern des Anliegens, Cannabis auch im Land Brandenburg zu entkriminalisieren. Eine gesundheitsorientierte Drogenpolitik solle das bisherige Verbot ersetzen. Auch die DelegiertInnen waren der Meinung, der Landtagsfraktion diesen Auftrag erteilen zu müssen, und stimmten mehrheitlich zu. Dieselben AntragstellerInnen machten sich zudem stark dafür, dass sich DIE LINKE Brandenburg für die Belange von Azubis einsetzen und mit ihnen um das Recht auf eine existenzsichernde Bezahlung kämpfen solle. Auch diesem Antrag wurde in veränderter Form zugestimmt.
„Haltestelle Dorf“ – kein Randproblem
Mittlerweile gehört es zum guten Ton, auf unseren Landesparteitagen bestimmten Themen ein Forum zu geben – diesmal stand das Leben im ländlichen Raum auf dem Programm. Bereits mit dem lesenswerten Konzeptpapier „Neue Wege übers Land!“ wurde der Einstieg in eine interessante Podiumsdiskussion gefunden. Die Agrarpolitische Sprecherin unserer Bundestagsfraktion Dr. Kirsten Tackmann, Andreas Büttner und Anke Schwarzenberg erläuterten, dass trotz des demografischen Wandels für die meisten BrandenburgerInnen der ländliche Raum eben jene Heimat sei, die es in ihrer Vielfalt zu erhalten gelte. „Haltestelle Dorf“ – der vom Kreisverband Märkisch-Oderland kreierte Begriff fasste das Problem gut zusammen: Ist das Dorf jene Haltestelle, wo man abfährt, um nicht zurückzukehren? Steigen hier nur noch Touristen aus- und ein? Oder aber gibt es Gründe, ganz bewusst aufs Land zu kommen, um zu bleiben?
Bereits 2015 wurde im Land Brandenburg eine Enquete-Kommission zum ländlichen Raum gebildet, der DIE LINKE nunmehr ihren Stempel aufdrücken müsse. Das Leben auf dem Land solle in jeder Hinsicht lebenswerter werden. Deshalb ziele auch die Verwaltungsstrukturreform auf eine Reorganisation, um alle Kommunen (wieder) in die Lage zu versetzen, sich vor allem in finanzieller Sicht selbst zu verwalten.
Doch wie sicher fühlt sich eine Brandenburgerin oder ein Brandenburger, wenn das Versprechen, dass es den Kindern besser gehen werde, nicht mehr eingehalten werden könne, wie Ralf Christoffers, Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Landtag, in seiner Rede zu bedenken gab? Mehr denn je hinge unser Wohl davon ab, ob Europa als Ganzes friedlich, sozial und mit offenen Grenzen zu gestalten sei. Deshalb dürfe DIE LINKE Europa nicht aufgeben und der Renationalisierung opfern. Sie müsse sich vor allem der allgegenwärtigen Aufrüstung entgegenstemmen. Eine von den Delegierten per Akklamation verabschiedete Resolution, an den diesjährigen Ostermärschen teilzunehmen, rief dazu auf.
Kristina Geisler,
Basisorganisation Beeskow, Parteitagsdelegierte