Kein Argument für die Neubildung des Landkreises Oder-Spree
Dr. Artur Pech, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Kreistag Oder-Spree, in der Debatte des Kreistages am 9. März 2017 zur Stellungnahme des Landkreises Oder-Spree zum Referentenentwurf für ein Kreisneugliederungsgesetz
Die Diskussion über eine Kommunalreform im Land Brandenburg zieht sich nun schon einige Jahre hin. In dieser Zeit wurde viel Richtiges aber auch viel nicht Belegbares zu diesem Thema gesagt. Unstrittig dürfte sein, dass Verwaltung den sich über die Jahre verändernden Verhältnissen folgen und sich damit auch selber ändern muss.
Abstrakte Überlegungen zum Lauf der Welt sind aber heute nicht unser Thema. Der Kreistag hat sich vielmehr zum vorliegenden Entwurf eines Kreisneugliederungsgesetzes zu verhalten. Auch aus der Sicht des Vorsitzenden des Finanzausschusses möchte ich dazu einige knappe Bemerkungen machen.
Als vor rund eineinhalb Jahrzehnten die Sparkasse in Frankfurt (Oder) in Probleme kam, hat dieser Kreistag nicht gezögert, den Ausweg über eine Fusion der beiden Sparkassen zu finden. Wir waren und wir sind also nicht von Vorbehalten gegen diese Stadt getrieben.
In den letzten Jahren war in der Öffentlichkeit der Widerstand der kreisfreien Stadt Frankfurt (Oder) gegen den Verlust ihrer Kreisfreiheit immer wieder deutlich zu vernehmen. Im Gegenzug wurden der Stadt die finanziellen Vorteile einer solchen Änderung nahe gebracht. Das betraf zu einem wesentlichen Teil den Wegfall von jährlich rund 70 Mio. E für künftig beim Landkreis liegende Aufwendungen.
Nach einer längeren und nicht in allen Einzelheiten nachvollziehbaren Rechenkette sollte sich als Ausgleich für den Verlust der Kreisfreiheit für die Stadt eine Entlastung ihres Haushaltes zwischen 15 und 19 Mio. € im Jahr ergeben. Dieser Wert ist mindestens insoweit plausibel, als entsprechende Berechnungen aus derselben Quelle für den Landkreis zu Mehrbelastungen zwischen 15 und 19 Mio. € im Jahr kamen.
Für den Landkreis gab es dabei drei Anmerkungen sehr unterschiedlicher Art:
An der Tatsache und an der Größenordung der auf den Landkreis zukommenden Mehraufwendungen gibt es von keiner Seite Zweifel.
Zugleich wird aber darauf verwiesen, dass ja vom Land 150 Mio. € zur Entlastung der Landkreise von den Folgen der Kreisneugliederung bereit gestellt werden.
Es wurde auf die erhofften Effekte der Kreisreform verwiesen, die ja auch für den Landkreis Oder-Spree Einsparungen bringen sollen.
Wenn beim Landkreis Mehrbelastungen von mindestens 15 Mio. € pro Jahr ankommen und wenn das Land zur Finanzierung der Kommunalreform für die verbleibenden Landkreise über die Zeit von 5 Jahren 150 Mio. € bereit stellt, dann würde ein finanzieller Ausgleich über 5 Jahre schon für dem Landkreis Oder-Spree die Hälfte der vom Land geplanten Summe erfordern. Damit kann niemand ernsthaft rechnen. Da müssten die kreisangehörigen Städte und Gemeinden über die Kreisumlage einspringen. Mit Blick auf die dann anstehenden Beträge erscheint die Diskussion, mit der die kreisangehörigen Städte und Gemeinden in der vorigen Woche für eine Absenkung der Kreisumlage im Jahre 2017 eintraten, geradezu kleinkariert.
Und was den Verweis auf Einspareffekte betrifft, stehen sich zwei Positionen gegenüber:
Wissenschaftliche Untersuchungen haben als Effekt solcher Reformen Einsparungen von 1 bis 2 Prozent ausgemacht. Gerade weil das so ist, wird in der letzten Zeit dieser Seite der Sache keine größere Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Darüber hinaus aber wird uns die Zahl der Beschäftigten der Kreisverwaltung pro 1 000 Einwohner entgegen gehalten, wie sie bereits jetzt im Kreis Oberhavel besteht. Wenn wir die im Zuge der Kreisneugliederung auch erreichen, dann würden wir den uns zugemuteten Mehraufwand locker refinanzieren.
Wenn man einmal von den unterschiedlichen Problemen z. B. im Bereich der Arbeitslosigkeit absieht, so scheint dieses Argument zunächst plausibel. Ein Vergleich der Ist-Zustände von Oberhavel und Oder-Spree vor der Reform ist allerdings tatsächlich kein Argument für eine Auflösung des Landkreises Oder-Spree und die Neubildung eines Landkreises gleichen Namens unter Einbeziehung der Stadt Frankfurt (Oder).
Abschließend noch eine Anmerkung: Ich kann einige Teile des heute zur Debatte stehenden Referentenentwurfs nicht ernst nehmen. So zu Beispiel, wenn es in der Begründung für die Neubildung eines Landkreises Oder-Spree auf S. 323 wörtlich heißt: „Alle Gemeinden des bisherigen Landkreises Oder-Spree sowie die bisher kreisfreie Stadt Frankfurt (Oder) werden zu einem neuen Landkreis zusammengeschlossen. Dafür wird der bisherige Landkreis Havelland gemäß § 1 Absatz 3 aufgelöst und die Kreisfreiheit der Stadt Frankfurt (Oder) aufgehoben.“
Im Vergleich dazu erscheint das sprichwörtliche Gemisch von Kraut und Rüben geradezu als Ausfluss preußischer Ordnung.
Der Beschluss mit der Stellungnahme zum Kreisneugliederungsgesetz wurde vom Kreistag ohne Gegenstimmen bei zwei Enthaltungen gefasst.
Dokumentiert
Beratung und Beschlussfassung einer Stellungnahme des Landkreises Oder-Spree zum Referentenentwurf des Kreisneugliederungsgesetzes
Beschlussvorschlag:
1. Der Kreistag lehnt sowohl die Auflösung des Landkreises Oder-Spree und die Neubildung eines Landkreises Oder-Spree unter Einbeziehung der Stadt Frankfurt (Oder) als auch das dafür gewählte Verfahren ab (§§ 1 und 7 des Referentenentwurfs). Das Ergebnis wäre ein finanziell geschwächter Landkreis. Die übrigen kreisangehörigen Städte und Gemeinden würden durch drastische Steigerungen bei der Kreisumlage finanziell stark eingeschränkt und wirtschaftlich erheblich leiden. Für die auch verfahrensseitige Benachteiligung des Landkreises Oder-Spree ist „Einkreisung“ eine irreführende Bezeichnung.
2. Der Kreistag beschließt die im Anhang befindliche Stellungnahme der Verwaltung.
Dr. Artur Pech,
Schöneiche bei Berlin, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Kreistag Oder-Spree