Kommentiert: Demokratie will geübt sein
Wenn den Diskutanten in der SVV die Argumente ausgehen, greifen sie gern auf eine Allzweckwaffe zurück, um die Oberhand zu behalten: Sie werfen ihrem Gegenüber mangelndes Demokratieverständnis vor und verweisen auf die Sünden der Vergangenheit. Die meisten SVV-Mitglieder sind gebürtige Brandenburger, ob nun direkt aus der Havelstadt oder aus dem Umland, viele waren SED-Mitglieder. Ich will niemandem das Bestreben absprechen, für diese unsere Stadt das Beste zu wollen. Nur haben wir unterschiedliche Vorstellungen davon, was denn dieses Beste sei. Sofern uns nicht die Gnade der späten Geburt zuteil wurde, haben wir nach der Wende in Sachen Demokratie dazulernen müssen. Wie weit unser persönliches Demokratieverständnis mittlerweile reicht, ist von vielen Faktoren abhängig, am wenigsten aber wohl von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Partei. In gewisser Weise sind die Älteren unter uns, die wir beide Gesellschaftssysteme erlebt haben, in einer privilegierten Situation: Wir können Vergleiche aus eigener Anschauung ziehen; wir sind nicht auf Geschichten aus zweiter Hand und vorgefertigte Deutungsmuster angewiesen. So gesehen war der persönliche Appell von Klaus Hoffmann (Grüne) an die SKB-Redaktion, mehr Bereitschaft zu zeigen, hiesige Denkungsarten unvoreingenommen und unkommentiert wiederzugeben und auf die Verächtlichmachung von Personen zu verzichten, durchaus berechtigt. Dass sich Dr. Tiemann, der Inhaber des SKB, daraufhin bemüßigt fühlte, das Grundgesetz zu zitieren, gehörte nicht zu den Sternstunden der Demokratie in der SVV.
Eine einseitige Interpretation demokratischer Gepflogenheiten waltet auch in Sachen Bürgerinitiative Packhof – und zwar auf beiden Seiten. Während die Verwaltung die BI auszubremsen versucht, weil diese – angeblich oder tatsächlich – ihre Kompetenzen überschreite, stilisiert sich die BI gern als eigentliche Stimme des Volkes. Dabei trifft auch auf sie zu, was die Aufgabe einer jeden Bürgerinitiative ist: die Meinung einer bestimmten Interessengruppe zur Geltung zu bringen. Keine Bürgerinitiative kann das politische Ringen um Gesamtkonzepte und fairen Interessenausgleich ersetzen. Dafür sind in erster Linie die Parlamente und ihre Verwaltungen zuständig. Klingt banal, ist aber im Einzelnen schwer zu machen. Zumal wenn, wie im vorliegenden Fall, die Bedenken der Bürgerinitiative gegen eine allzu klotzige Packhofbebauung samt umweltfeindlichem Verkehrskonzept und die Bedenken vieler Stadtverordneter – besonders der LINKEN – weitgehend übereinstimmen. Da hilft nur eins: Für einen breiten demokratischen Diskurs und höchstmögliche Transparenz zu sorgen. Dass diese Chance bei der vor kurzem gegründeten Bürgerinitiative „Alte Plauer Brücke“ nicht vertan wird, bleibt zu hoffen.