01.03.2017
Dr. Artur Pech
Erschienen in: Widerspruch (Fürstenwalde, Brandenburg)

Die Sitzung des Kreistages im Februar 2017

Dr. Artur Pech, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Kreistag Oder-Spree
Landkreis Oder-Spree

Mit dem Kreistag am 15. Februar 2017 begannen für Herrn Lindemann als frisch gewähltem Landrat die Mühen der Ebene. Er nutzte den Geschäftsbericht, um sein grundsätzliches Herangehen an die anstehenden Aufgaben darzulegen. Ein großer Teil der von ihm verkündeten Vorhaben verdient unsere Unterstützung. Wir sind jedenfalls zu einer konstruktiven und sachlichen Zusammenarbeit bereit.
Unsere Fraktion hatte im Februar zwei sehr unterschiedliche Themen auf die Tagesordnung gesetzt.

1. Flucht und Asyl im Landkreis Oder-Spree

Landauf und landab bewegt die Politik gegenüber Asylsuchenden die Gemüter. Vieles wird emotional diskutiert, die Standpunkte sind gegensätzlich und häufig nicht von Sachkenntnis getragen.
Da sich das Leben auch in diesen Fragen in den Kommunen des Landkreises abspielt, wollten wir für mehr Sachkenntnis sorgen, um die Wirkungen von großer und kleiner Politik transparent zu machen.
Dem diente eine detaillierte schriftliche Anfrage im Kreistag. Leider war in der Berichterstattung wenig zu vernehmen. Deshalb gebe ich hier einen Überblick:

Betroffene Menschen im Landkreis

Gegenwärtig sind im Landkreis 1.793 Personen untergebracht. (Das ist rund 1 Prozent unserer Wohnbevölkerung.) Davon fallen 1.267 Personen unter die bürokratischen Regelungen des „Asylbewerberleistungsgesetzes“. 526 Personen unterliegen dem SGB II (besser bekannt als Hartz IV) bzw. SGB XII (Sozialhilfe).
In Gemeinschaftsunterkünften leben im Landkreis 754 Personen. In Wohnverbünden – das sind zusammengefasste Wohnungen, aus denen aus Fördergründen eine Einheit gebildet wurde – 765 Personen und in einzelnen Wohnungen 274 Personen. Der Schwerpunkt liegt also auf der individuellen Unterbringung in Wohnungen.
Der Landkreis verfügt derzeit über insgesamt 2.280 Unterbringungsplätze. Davon 984 Plätze in Gemeinschaftsunterkünften, 1.006 Plätze in Wohnverbünden und 290 Plätze in sonstigen Wohnungen. Diese Kapazitäten wurden im Durchschnitt zu 76 Prozent ausgelastet. Das ist der zweithöchste Auslastungsgrad im Land Brandenburg.

Sozialarbeit mit Migranten im Landkreis

Im Landkreis sind derzeit 45 Migrationssozialarbeiter tätig. Das ergibt einen Betreuungsschlüssel von 1 : 40, – also die doppelte Betreuungsdichte als nach dem vom Land vorgegebenen und refinanzierten Betreuungsschlüssel von 1 : 80. Dieser Stand resultiert aus den Zeiten, in denen es einen größeren Betreuungsbedarf gab. Hier wirken zum Teil länger laufende Verträge nach, die jetzt dem vom Land refinanzierten Schlüssel von 1 : 80 angepasst werden.
Diese Finanzierung durch das Land geht von der Annahme aus, dass ein Sozialarbeiter 80 Personen betreuen könnte und dass die Geflüchteten ein Jahr unterbringungsnah sozial betreut werden müssen. Die erforderliche Betreuungsdauer ist jedoch immer einzelfallabhängig. Es hängt von den individuellen Voraussetzungen ab, wie lange eine solche Betreuung notwendig ist und darf nicht nur als Finanzierungsproblem wahrgenommen werden, denn diese Arbeit ist sehr wichtig ist, um soziale Fehlentwicklungen zu vermeiden.
Nun ist der Bund für die grundlegenden Regelungen zuständig. Aber nach dem Wechsel vieler Asylbewerber in den SGB-II-Leistungsbezug (Hartz-IV) untersagt der Bund die Finanzierung sozialer Arbeit aus Mitteln des SGB II, denn er betrachtet das als Aufgabe der Kommunen vor Ort.
Im Landkreis werden die Geflüchteten zunächst in Gemeinschaftseinrichtungen untergebracht, um sie für ein selbständiges Leben in ganz normalem Wohnraum zu ertüchtigen. Das gestaltet sich unterschiedlich – je nach entsprechenden Voraussetzungen, je nach Herkunft. Aber die Erfahrungen gehen dahin, dass man zunächst ein Jahr betreuen muss, um dann überhaupt zu verselbständigtem Wohnen in eigener Wohnung zu kommen. Ansonsten schafft man unter Umständen Konflikte mit den Umgebungsmietern und allgemein der Umgebung.

Keine Abschiebungen aus dem Landkreis 2016

Im Jahr 2016 wurde keine zwangsweise Rückführung/Abschiebung vollzogen. Im Rahmen der Dublin-III-Verordnung erfolgten zwei Abschiebungen in den jeweiligen EU-Staat. Jedoch reisten im Zuständigkeitsbereich des Landkreises Oder-Spree 92 Personen vor Einleitung einer zwangsweisen Rückführung freiwillig aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Hier gibt es eine entsprechende Beratung und ein Rückführungsmanagement, was relativ wirksam ist.
Der Landkreis Oder-Spree ist gegenwärtig gar nicht in der Lage, Abschiebungen durchzuführen. Es gibt hier keine Mitarbeiter, die eine Abschiebung durchführen könnten. Es kommt hinzu, dass das Land bis vor Kurzem noch Unterstützung leistete, sich aber jetzt daraus zurückgezogen hat, weil sie das nicht mehr leisten können.
Es ist schwierig, eine zwangsweise Rückführung so zu koordinieren, dass die betreffende Person anwesend ist, dass die Papiere in Ordnung sind, dass gegebenenfalls die Polizei verfügbar ist, dass ein entsprechendes Flugzeug/ein Flugplatz gebucht ist. Das funktioniert alles nur sehr schwergängig. Damit haben ja auch andere Bundesländer/Landkreise große Probleme.
Der Landrat sprach sich dafür aus, solche Aufgaben auf die Landes- oder Bundesebene zentral zu übertragen. Nach seiner Auffassung sollen Menschen, die keine Bleibeperspektive haben, von vornherein nicht auf die Kommunen verteilt werden. Denn dann finden Integrationsschritte statt. Das mache für alle Beteiligten die Sache zum Schluss sehr unangenehm, wenn nach einem Jahr dann Familien zwangsweise zurückgeführt werden müssen, wo einem die Schule entgegen tritt und sagt: Wieso wollen sie die jetzt ausweisen, die Kinder haben sich in der Schule so gut eingefügt, die bringen so gute Leistungen … Und dann steht man als Ausländerbehörde da und muss eine fast kaum noch zu begründende Arbeit leisten. (Ich würde hier die Relativierung mit „fast kaum“ durch nicht zu begründende ersetzen.)

Große Politik

Auch Kommunalpolitik ist also direkt mit den großen politischen Kontroversen der jüngsten Zeit verbunden. Da hilft es wenig, alle Migrationsbewegungen unter dem Stichwort „Asyl“ zu behandeln. Denn ob ein Anspruch auf Asyl besteht oder nicht – und ob dann gegebenenfalls abgeschoben wird – richtet sich nach Rechtsnormen, auf die die Kommunen keinen Einfluss haben, zu deren Einhaltung und Durchsetzung sie dennoch verpflichtet sind. Und tatsächlich fallen eben nicht alle Migranten unter das Asylrecht.
Nach den Antworten des Landrates auf unsere Fragen ist zu konstatieren: Der Landkreis ist in den letzten 18 Monaten mit einer komplizierten Situation verantwortungsbewusst umgegangen. Das Thema wird uns jedoch in heftigen politischen Konflikten weiter begleiten.

2. Kleine Politik

Die Fraktion hatte auch die Frage der Annahmestelle des Kommunalen Wirtschaftsunternehmen Entsorgung (KWU) für Kleinmengen von Abfall in Erkner auf die Tagesordnung gesetzt (Vorlage: 016/DIE LINKE/2017). Nachdem sich die Schließung dieser Annahmestelle abzeichnete, hatte die Fraktion beantragt, den Landrat zu beauftragen, mit dem KWU Entsorgung die Beibehaltung einer Annahmestelle für Kleinmengen in Erkner zu prüfen und dem Kreistag im Juni 2017 über das Ergebnis zu berichten.
Die Annahmestelle für Kleinmengen in Erkner umfasst einen Einzugsbereich von deutlich mehr als 30.000 Einwohnern.
Unabhängig von der Regelung für die gewerbliche Entsorgung sollte für die Region zwischen Schöneiche, Grünheide und Neu-Zittau eine auch von den Einwohnerinnen und Einwohnern akzeptierte Annahmestelle für Kleinmengen erhalten bleiben. Eine Verlagerung der Annahmestelle an den weniger bewohnten äußersten Rand des Entsorgungsgebietes lässt insbesondere im berlinnahen Bereich Probleme erwarten.
Der Landrat hat vor dem Kreistag die Erfüllung dieses Anliegens und einen entsprechenden Bericht bis zur nächsten ordentlichen Sitzung des Kreistages zugesagt. Vor diesem Hintergrund haben wir auf eine formelle Beschlussfassung verzichtet.
Zu den Eigenarten von Kommunalpolitik gehört freilich, dass Jörg Vogelsänger (SPD, Mitglied des Landtages Brandenburg, Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft, Landtagsabgeordneter, Mitglied des Kreistages Oder-Spree, Mitglied der Stadtverordnetenversammlung Erkner) vor dem Kreistag sein und das Bemühen seines Bürgermeisters Jochen Kirsch (SPD) für eine Lösung zusagte. Auf einen entsprechenden Antrag der Linksfraktion in der Stadtverordnetenversammlung Erkner am 27. September 2016 hatten beide freilich noch deutlich ablehnend reagiert (siehe: 12. SVV Erkner am 27. 9. 2016:
TOP 15.6 – Antrag der Fraktion DIE LINKE, Erhalt des Kommunalen Wirtschaftsunternehmens in Erkner – Entsorgungsunternehmen KWU. Die Stadtverordnetenversammlung Erkner lehnt mehrheitlich den Antrag der Fraktion DIE LINKE, Erhalt des Kommunalen Wirtschaftsunternehmens in Erkner – Entsorgungsunternehmen KWU, ab. Quelle: http://www.bis.erkner.de/instanz_1/
).
Hoffen wir also auf ein vernünftiges Ergebnis.