Dr. Elvira Strauß
Erschienen in: Widerspruch (Fürstenwalde, Brandenburg)

In Erkner steht die Waage schief

DIE LINKE kämpft gegen Mehrheiten aus SDP und CDU

Erkner
Erkners BER – beim City-Center in der Friedrichstraße ruht die Arbeit seit Oktober 2011

Wussten Sie schon, dass das Wort Bilanz aus dem Italienischen stammt? Bilanci heißt Waage. Man sollte sich eine Balkenwaage vorstellen. Auf der einen Seite liegen Mühe und Anstrengungen, auf der anderen liegen die Ergebnisse. Nun ist eine sehr lange Legislaturperiode der kommunalen Volksvertretung fast vorbei. Im September 2008 traten in Erkner 15 Frauen und Männer auf der Liste der LINKEN zur Wahl der Stadtverordneten an. Mit unserer offenen Liste errangen wird sieben Mandate und sind damit in der Opposition.

Elvira Strauß ist Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE in der Stadtverordnetenversammlung Erkner

Das größte Problem für die Kommunalwahlen 2014 wird es wohl sein, wieder genügend Kandidaten aufzustellen. Die Gespräche laufen. Die SPD stellte mit elf, die CDU mit drei und die FDP mit einem Mandat die weiteren Stadtverordneten in Erkner. Die gewählte FDP-Vertreterin erschien allerdings nur zu einer Stadtverordnetenversammlung (SVV) und legte bald ihr Mandat nieder. Bei der Bürgermeisterwahl 2010 hat der SPD-Amtsinhaber Jochen Kirsch haushoch mit 3234 Stimmen gegen 989 für mich als Fraktionsvorsitzende der LINKEN gewonnen. Seitdem habe ich das Gefühl, dass in der Mehrheitsfraktion die Devise ausgegeben wurde: Kein Antrag der LINKEN darf durchgehen. Aber die anderen Fraktionen reichen nie eigene Anträge ein. Nur der
Bürgermeister und die LINKEN bringen Ideen ein. Und selten gibt es Fragen anderer Stadtverordneter.

Uns gegenüber herrscht ein regelrechter Hass. Wir würden mit den dauernden Fragen die Sitzungen verlängern, die Verwaltung madig machen, heißt es. Vor einem Jahr beschloss die Mehrheit der Stadtverordnetenversammlung (SVV) Erkner, das sich die Stadt den Namenszusatz Gerhart-Hauptmann-Stadt geben soll. Seit dem arbeitet eine Projektgruppe aus Stadtverordneten und interessierten Bürgerinnen und Bürgern an der Ausgestaltung. Hier
geht es nicht, wie in der SVV, um Parteipolitik, sondern darum, die Stadt kulturell voranzubringen.

Solch eine offene, kollegiale Atmosphäre wie in dieser Projektgruppe wünschte ich mir auch für die Beratungen der SVV. Kampf gegen Lärm an erster Stelle Verkehrs- und Lärmbelästigungen sind für Erkner ein großes, sicherlich noch wachsendes Problem. Rund 23000 Fahrzeuge wälzen sich täglich durch die Hauptstraße.
Besonders eine steigende Zahl von Güterzügen donnert durch Erkner, die Autobahn verursacht Lärm. Lange Jahre nach der Entscheidung für Schönefeld war unser Bürgermeister, und mit ihm SPD- und CDU-Fraktion, der Meinung, uns beträfe das nicht. Das Ergebnis war der Austritt aus der Schutzgemeinschaft der Umlandgemeinden.

Nun wissen wir, dass Erkner nach einer eventuellen Eröffnung des BER sehr stark von oben verlärmt wird. Nicht einmal von 22 bis 6 Uhr gönnt man uns die Nachtruhe. Auf unseren Antrag hin sind wir nun wieder Mitglied der Schutzgemeinschaft der Umlandgemeinden des BER.

Aktuell geht es um eine bürger- und umweltfreundliche Verkehrslösung für die Errichtung des City-Centers. Eine Vielzahl von Detailanträgen zur Nutzung und baulichen Verbesserung einiger Straßen und Radwege wurden
von der SPD- und CDU-Mehrheit abgelehnt. Wir unterstützen verschiedene Initiativen und haben erreicht, dass
mehrere Bürgerinformationen zum Thema Straßen- und Bahnverkehr, Flugrouten und Lärmminderung durchgeführt wurden. Auf unsere Anregung hin hat Erkner eine Konzeption für eine „barrierefreie Stadt“. Nur mit Drängen der Opposition bewegten sich Bürgermeister und Verwaltung in diese Richtung. Auf der Ergebnisseite der Bilanz stehen außerdem die von uns geforderten Lärmmessungen bei Bahn und Flugbetrieb sowie Fahrradabstellmöglichkeiten am Bahnhof.

Recht wenig, kann man sagen, aber wir bleiben auch in der nächsten Wahlperiode daran, Verkehrssituation und damit die Lebensqualität in Erkner zu verbessern. Allein kann die LINKE im Stadtparlament nichts erreichen.
Leider fühlen wir uns von unserer Landtagsfraktion oft im Stich gelassen. Was nutzt ein Beschluss der rot-roten Landesregierung, dass sie hinter den über hunderttausend Unterschriften des Bürgerbegehrens zum Nachtflugverbot steht, wenn seitdem nichts passiert, wenn wir nichts von den angeblichen Verhandlungen mit Berlin und dem Bund hören?

Haushalt ist in Zahlen gegossene Politik. Die LINKE in Erkner hat bisher immer gegen den Haushalt gestimmt. Der Bürgermeister wirft uns das bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit vor. Unsere Gegenstimmen sind mit der noch immer fehlenden Eröffnungsbilanz und einigen unserer Meinung nach unnützen Ausgaben begründet. Das Positive sieht DIE LINKE in der Leistung, dass der Haushalt, trotz großer Schwierigkeiten, immer ausgeglichen gestaltet wurde. Gut finden wir auch den Erhalt der freiwilligen sozialen Leistungen.

Wir kritisierten, dass die Stadt keine Förderrichtlinie für Vereine hat, mit der die geringen freiwilligen Ausgaben gerecht verteilt werden. Jahrelang lehnten die Mehrheitsfraktionen eine solche Regelung ab. Seit März 2011 haben wir nun doch eine Förderrichtlinie für Vereine, Verbände und Initiativen, mit der im vergangenen Jahr etwas über 30 000 Euro an die Antragsteller gezahlt wurden. DIE LINKE will sich nicht mit
fremden Federn schmücken. Bei einer Prüfung der Kommunalfinanzen wurde das Fehlen einer solchen Richtlinie bemängelt. Um diesem Umstand abzuhelfen, musste die Verwaltung also eine Regelung treffen. Sie griff auf unseren Entwurf aus der vergangenen Legislaturperiode zurück. Manchmal brauchen auch linke Ideen bürokratischen Nachdruck.

Für ein soziales Erkner „100 Prozent sozial“ ist uns wichtig. Wir haben mit Anfragen und Anträgen dafür gestritten, dass das Brandenburger Vergabegesetz auch in der Stadt umgesetzt wird. Dabei ging es um Menschen, die im Wachschutz des Rathauses und in anderen Bereichen arbeiten. Sie sind seit Jahren über eine Zeitarbeitsfirma beschäftigt. Dort erhalten sie den Zeitarbeitstarif, nicht aber die acht Euro pro Stunde
nach dem Vergabegesetz. Der Bürgermeister sieht bei Altverträgen keinen Handlungsbedarf. Die SPD-Mehrheit folgt ihm - wie immer. Mit mehreren Anfragen und Anträgen appellierte DIE LINKE an die Solidarität mit armen Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Leider lehnte die Mehrheit unsere Ideen zur Fortschreibung des Sozialtickets und zur Übernahme der Gebühren für die neuen Personalausweise ab. Angenommen wurden einige Anträge zur Förderung des Tourismus. Unsere Anträge, in der Geschäftsordnung, der Hauptsatzung und in der Bürgerbeteiligungsatzung mehr Möglichkeiten durchzusetzen, wurden abgelehnt, ebenso wie die zur Modernisierung der Internetseite.

Die Bilanz fällt gemischt aus. Die Waage ist nicht im Gleichgewicht. Die zukünftigen Stadtverordneten der LINKEN brauchen Geduld, Durchhaltevermögen und auch ein dickes Fell.